Begegnungen auf dem Berg

KIM.M auf d’Oim! Offene Begegnung initiierter Männer auf der Alm

Zur Sommersonnenwende trafen sich zehn Männer auf einer Alm am Fuße des Zwieselberges in den Tölzer Voralpen. Drei Männer reisten schon am Vortag an, sowohl um mehr Auszeit in den Bergen zu haben, als auch, um die Hütte auf das Treffen vorzubereiten – einer war dafür extra aus Wien gekommen. 

Veranstaltet und vorbereitet wurde diese besondere Form der Begegnung auf dem Berg vom „Kreis Initiierter Männer im Raum München“, nach der Premiere im Juli 2023 nun zum zweiten Mal. Heuer war „Beziehungen“ das Thema. 

Am Freitag begannen alle zehn Männer die Auszeit gemeinsam durch einen bewussten Schwellengang. Einige waren dafür zuvor 500 Höhenmeter vom Tal zum Treffpunkt hoch gelaufen. Nach einer Räucher-Zeremonie mit Weißen Salbei gingen alle den letzten Kilometer in Stille zur Alm. 

Dort angekommen gab es verschiedene Rituale, Impulse und Zeit für Begegnungen mit sich selbst, zu zweit, in Kleingruppen und mit der Natur. Es wurde viel gesprochen, aufmerksam zugehört, geschwiegen, und auch gelacht, gesungen und getanzt. 

Zwischendurch wurden gemeinsam einfache, aber köstliche Mahlzeiten zubereitet. Übernachtet wurde auf dem Dachboden der Alm in einem Bettenlager. 
 
Einige Männer gingen früh morgens zum Sonnenauf- und / oder abends zum Sonnenuntergang auf den nahegelegenen Gipfel des Zwiesel, mit einer fantastischen Aussicht. Aber auch Unwetter in der Nacht mit heftigen Gewittern waren beeindruckend. Gut, dass zu dem Zeitpunkt alle in der sicheren Hütte waren. Schade nur, dass unser Feuer in der Feuerschale draußen auf diese Weise zweimal ein nasses, jähes Ende fand.
  
Nach 24 intensiven Stunden, die sich für die meisten länger anfühlten, gab es herzliche und innige Verabschiedungen und den Wunsch, ein solches Treffen in Zukunft wieder stattfinden zu lassen.

Das Gute, das Wahre und das Schöne !

392 Tage liegen nun zwischen dem letzten Tag meiner Männerinitiation in Nordbayern und dem ersten Wort das ich hier schreibe.

Es war bereits meine zweite Bewerbung zur Initiation. Dass ich ein Jahr zuvor, 2022, kurzer Hand aus privaten Gründen nicht teilnehmen konnte und vielleicht auch sollte, war sicherlich Teil des Weges. Für mich persönlich war das Durchlaufen der Initiation eine Zäsur, ein wichtiger markanter Meilenstein in meiner Mann-Entwicklung.

Was war der Anstoß dazu? Ein heftige Krise mit 38 Jahren! Arbeitsplatzverlust, Schaden meines „Ansehens“, wiederholt verletzte und enttäuschte Menschen (vor allem Frauen), Hausverbot, Strafanzeige, Strafbefehl und Geldstrafe. Alles selbst hervorgerufen. Vier Jahre vor dieser „heftigen“ Krise wurde außerdem meine Ehe geschieden, aus der ein wunderbarer Sohn hervorgegangen ist. Obwohl eine Scheidung nicht weniger eine Krise ist, fiel ich zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht tief genug um mein Handeln zu hinterfragen. Es sollte/musste heftiger kommen! Denn der Mensch macht im Laster das, was er nicht will, so schreibt es der Wiener Psychiater Raphael M. Bonelli in seinem Buch:

„Die Weisheit des Herzens“. Es war der Gipfel der vorhergegangen 20 Jahre. Plötzlich macht es BANG!

Wohin mich mein Pornografiekonsum einmal führen wird, konnte ich mir nicht vorstellen, zumal ich nie von mir selbst gesagt hätte ich wäre danach „süchtig“. Abgesehen davon, dass das Ansehen von Pornografie weder im „Geheimen“ noch in beidseitigem Einvernehmen innerhalb einer Beziehung Platz finden sollte, es beeinflusst uns, ob wir es wollen oder nicht, das ist mittlerweile meine persönliche Haltung zu diesem Problem. Meine guten Werte hielt ich nach eigenem Ermessen ein, mein Gewissen verdrängte ich. Mein Ego war groß genug und überzeugt, dass wann immer ES möchte mit Pornokonsum aufhören könnte. Das Gegenteil war der Fall, es nahm mich ein und beeinflusste mich unbewusst in andere Lebensbereiche hinein. Plötzlich war ich im freien Fall. Aufgefangen hat mich Gott!

Mir war ab diesem Zeitpunkt klar, dass ich Hilfe brauche. Ich wollte und möchte auch meinem Sohn ein gereifter, verantwortungsbewusster Vater sein. Dieser teuflische Kreislauf soll unterbrochen werden. Ich bin von Herzen dankbar, dass ich in dieser völligen Ausnahmesituation die Schuld auf mich nehmen wollte und es auch konnte, das war der wichtigste Schritt überhaupt um mich ent-schuldigen zu können. Nicht vor Gott, denn er hat mir durch Jesus bereits vergeben, aber bei all meinen Mitmenschen.

Es muss Licht bis in den letzten Winkel meines Herzens. Es ist höchste Zeit den eigenen Schatten anzusehen, vor allem wenn alle Anderen ihn bereits vor dir sehen. Ich fand 2020 Hilfe bei einem Psychotherapeuten und Arzt, der, so sollte sich erst eineinhalb Jahre später herausstellen, selbst ein initiierter Mann ist. Er, Klaus, hat mich dazu ermutigt mich für die Männerinitiation zu bewerben. Es war gut und richtig, danke Klaus.

Ich kann mich so gut daran erinnern, wie es nach einigen Sitzungen plötzlich wie Schuppen von meinen Augen fiel, dass ich abhängig von Pornos bin, es war eine so harte, tiefgehende Erkenntnis, über die ich Wochen „trauerte“. Du hast nicht die Kontrolle. There is a crack, a crack in everything.

Meiner Initiation ging also bereits ein Weg an seelischer Gesundwerdung voraus, ich empfand dabei das Übernehmen von Verantwortung für mein Handeln und das Bitten um Vergebung als die wesentlichen Voraussetzungen dafür. Die Initiation kam für mich dann auch zum rechten Zeitpunkt.

Wie habe ich die Initiation erlebt? Warum hat sie weiteres Licht in mein Dunkel gebracht? Es war wesentlich für mich, dass Regeln und Grenzen während der Initiation definiert und gegolten haben, insbesondere in den Kleingruppengesprächen. Obwohl alle anderen Männer erst einmal fremd waren, konnte ich mich das erste Mal außerhalb meiner Therapie öffnen, ich hatte Vertrauen, es war gegeben, geschenkt und ich wurde nie bewertet. Danke Männer!

Meine eigenen Wunden herauszufinden, sie zu erkennen, zu benennen, anzusehen und zu fühlen war so wichtig. Fühlen zu dürfen, Vergebung aufrichtig auszusprechen, denen die auch mich in meinem Leben verletzt haben, ist eine Frucht meiner Initiation, noch mehr gilt dies für das Bitten um Vergebung.

Erkennen und Verstehen ist immer Stückwerk, dieser Prozesse wird nie aufhören und das Ganze Große werden wir zu Lebzeiten nicht durchschauen können. Nach meiner Initiation fühlte ich mich stark, aufgetankt, motiviert aber auch nachdenklich bescheiden. Als Novize sollte mein Weg nun weitergehen, ich tauchte tiefer in Richard Rohrs Gedanken ein und habe mehrere seiner Bücher gelesen. Ich beschäftigte mich mit den männlichen Archetypen und konnte auch mich selbst besser verstehen. Ich habe meinen Eltern in jeder Hinsicht Vergebung ausgesprochen, nicht weil mir danach war, sondern weil auch mir viel Barmherzigkeit und Güte widerfahren ist. Nicht zu erwarten, dass gleichzeitig auch mir von anderen Menschen vergeben wird, ist hart und manchmal schwer auszuhalten.

Tatsächlich aber wird Gott weiter meine Wunden heilen und mir den rechten Weg bereiten, er wird mir helfen (Jesaja 41,10). Erst durch meine Initiation begann ich zu begreifen, was es bedeuten kann „nach oben zu fallen“-“falling upward“, so wie Richard Rohr es nennt. Ich durfte also weiter meinen Weg in der zweiten Lebenshälfte gehen. Tugenden wie Güte, Vergebung, Treue, Beständigkeit, Besonnenheit, Nachsicht, Verbundenheit und Entschlossenheit helfen mir dabei meinen „guten“ Werten, die immer schon in mir angelegt waren, in anderer Qualität und mit anderem Verständnis nachzukommen. Ich habe den Mut gefunden, mich selbstständig zu machen und um meine Beziehung, meine Liebe zu kämpfen. Sie hat neben Gott wohl immer schon auch in mein Herz schauen können und das Gute erkannt. Mit meinem Sohn gehe ich campen, baue Pfeil und Bogen und erzähl ihm davon warum es Krieger, Könige, Weise und „echte“ liebevolle Liebhaber braucht. Ich versuche es ihm vorzuleben, dass er selbst zu einem gereiften Mann heranwachsen kann.

Nein, es ist noch nicht Alles gut, es muss auch kein Glitzer drauf…..es ist aber viel besser, ehrlicher, entschlossener, ausgeglichener, friedvoller, verbindlicher und schöner. Meine Sucht habe ich unter Kontrolle. Die Kraft für diesen Weg gibt mir alleine Gott der Vater! Das ist meine wahre Erkenntnis.

Einst war ich ein Junge, und dachte wie ein Junge, jetzt bin ich ein Mann und lebe als Mann.

Vom Trüben und Steinigen…..

…..ins Klare und Wegweisende.

Danach

Ein Mann, der selbst initiiert wurde, hat mir mal erzählt, dass eine Initiation dadurch gekennzeichnet sei, dass es ein eindeutiges „Davor“ und ein davon deutlich abgegrenztes „Danach“ gäbe. Meine Initiation nach Richard Rohr durch die Brüder von Männerpfade ist jetzt gut ein Jahr her. Und ich frage mich immer mal wieder: „Was ist mein ‚Danach‘?“ Gab es ein eindeutiges, klar abgegrenztes „Davor“?

Ich habe noch keine Antworten darauf. Ich glaube nicht, dass ich mich oder etwas seitdem großartig verändert hat. Ich bin immer noch ich. Mein Haus, mein Auto, meine Familie… alles beim Alten.

Von einem anderen Mann habe ich mal gehört, dass das Leben ihn initiiert hat.

Die Erfahrungen, der Schmerz, die Brüche, die ein Mann erlebt, prägen ihn, sein Leben, sein Wesen und seine Sicht auf die Welt. Was bleibt von solchen Erlebnissen hängen? Was ist nach dem Bruch? Was kommt „danach“?

Geschichten aus meinem Leben

Ich möchte euch gerne drei Episoden aus meinen frühen Lebensjahren erzählen.

Als ich noch ein Kind war, bin ich einmal nachts aufgewacht, weil ich Angst hatte. Ich bin die knarzende Holztreppe zum Schlafzimmer meiner Mutter heruntergelaufen.

„Mama, ich hab’ Angst.“ „Was ist denn los?“ „Ich habe Angst vor dem Tod.“

Damals war die Angst für mich als Kind ganz gegenwärtig und real. Sie hat mich gelähmt. Ich war völlig aufgelöst. Das war der erste Moment, an den ich mich erinnern kann, in dem ich richtig große Angst vor dem Tod hatte.

Meine Mutter hat versucht, mich zu beruhigen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was sie gesagt hat. Ich weiß nur noch, dass ich auf ihrem Schoß saß und sie mich nach einiger Zeit wieder ins Bett brachte. Nach einer Weile schlief ich wieder ein.

Als Jugendlicher wurde mir langsam klar, dass niemand wirklich weiß, wie „das Leben funktioniert“. Als Kind dachte ich, dass ich nur alt genug werden muss, dann erklären mir die Erwachsenen schon, was das alles hier auf sich hat. Dann bekomme ich Antworten auf all meine Fragen:

Warum lebe ich? Und warum muss ich eigentlich sterben? Welchen Sinn hat das Leben? Was ist der Sinn von allem?

Ich dachte, die Erwachsenen wissen das. Als junger Mann habe ich dann gemerkt, dass niemand auf der Welt weiß, was das alles hier zu bedeuten hat, wie das Leben funktioniert und was es heißt, hier in diesem Universum zu leben.

Als mir das bewusst wurde, war ich ziemlich enttäuscht. Bis dahin dachte ich immer, die Erwachsenen wüssten all das. Schmerzhaft stellte sich das für mich nun als Illusion heraus.

Als junger Erwachsener war ich ziemlich unglücklich über das Ende meiner ersten „Beziehung“. Ich war einfach unzufrieden mit mir, meinem Leben, meiner Ausbildung und so weiter. Irgendwie war ich mit allem unzufrieden. Mit der Zeit ging es mir immer schlechter, also habe ich mir professionelle Hilfe gesucht. Die habe ich zwar letztendlich bekommen, aber leider erst nach einer sehr langen Wartezeit. Diese schwere seelische Krise war ein tiefer Einschnitt in meinem Leben. Sie beschäftigt mich bis heute.

Brüche davor, Fragen danach

Die drei Episoden stehen für einige Brüche in meinem Leben. Geplatzte Träume, leidvolle

Momente, unerfüllte Sehnsüchte…

Haben diese Erlebnisse mich „initiiert“, mich zu dem gemacht, der ich heute bin? Auf jeden Fall haben sie mich geprägt und wirken sich bis heute aus.

Manchmal überkommt mich immer noch die Angst vor dem Tod.

Die unbeantworteten Fragen zum Sinn des Lebens beschäftigen mich nach wie vor.

Ich habe gelernt, mit den Erlebnissen „umzugehen“. Meine Fragen, meine Ängste, meine Sehnsüchte, meine Träume… Ich schiebe sie zur Seite, rede sie klein, höre nicht hin, lenke mich ab, verdränge sie.

Die Erlebnisse haben dazu geführt, dass ich mich verändert habe. Insofern waren sie der Beginn von etwas Neuem, von etwas „Initialem“. Aber fühle ich mich jetzt, nach diesen Erfahrungen („danach“) initiiert? Eher nicht, würde ich sagen.

Was ich erlebt habe, ist einzigartig und gilt nur für mich. Ich bin einfach anders als alle anderen auf der Welt. Damit bin ich wohl der einzige Mensch im Universum, der so denkt und fühlt. Ich komme mir wie ein Alien vor, ziemlich fremd und allein in dieser Welt.

Und wie sah es vor einem Jahr aus? Was war vor meinem Aufbruch zur Initiation („davor“)? Was „danach“?

Ich weiß es nicht mehr so genau. Ich weiß nur noch, dass es sich richtig angefühlt hat, sich auf den Weg zu machen. Ich wollte mich darauf einlassen und etwas Neues wagen.

Klar, ich wusste nicht, ob sich durch die Initiation was ändert, ob mein Leben anders ist, ob ich anders bin oder werde. Und ehrlich gesagt weiß ich das heute auch (noch?) nicht so genau. Ich bin immer noch ich.

Aber inzwischen habe ich das Gefühl, dass sich im Vergleich zu „davor“ etwas geändert hat. Ich kann es nicht wirklich in Worte fassen. Es ist keine große Veränderung, kein deutlich spürbarer Umbruch in ein (davon klar abgegrenztes) „Danach“.

Ich kann das ganz gut mit dem in Verbindung bringen, was ich auch manchmal von anderen initiierten Männern höre. Die Initiation war sozusagen der Startschuss, der Anfang von etwas Neuem. Ich kann mich immer wieder neu und anders auf den Weg machen. Ich nehme mich selbst mehr wahr, versuche aufmerksamer, fühlender, offener und liebevoller zu sein. Und verbundener – mit mir und mit anderen.

Ich empfinde das Ganze als einen Prozess. Vor allem fühle ich mich nun mit anderen Männern, mit meinen Brüdern von Männerpfade verbunden. Besonders mit denen, die sich vor einem Jahr mit mir auf den Weg gemacht haben und sich getraut haben, sich einzulassen – ohne zu wissen, was „danach“ passiert.

Meine Fragen nach dem Sinn, meine Ängste, meine Gefühle, meine Trauer, mein Leid, meine Wut … All das ist weiterhin da, wenn ich auf mich und die Welt sehe. Und dadurch fühle ich mich manchmal schon wie ein Außenseiter, irgendwie komisch und sonderbar.

Ich habe jetzt aber endgültig verstanden (und erlebt!), dass ich mit solchen Fragen nicht allein bin. Ich bin nicht der einzige, der sich mit Gefühlen und Problemen konfrontiert sieht, die sich nicht einfach lösen oder beantworten lassen und einen schnell überfordern können – nicht nur mich.

Ich weiß, dass ich all das auf besondere Art und Weise teilen kann. Ich habe erfahren, wie man(n) sich verbunden fühlt, wenn man(n) sich zeigt, mitfühlt und seinem Gegenüber vertraut. Ich habe erlebt (gespürt und geschenkt bekommen), wie Männer sich öffnen und sich von bestimmten Dingen tief im Inneren berühren und anrühren lassen. Ich weiß, dass ein neuer Raum, heilend, heilig und heil, entstehen kann. Diese Erkenntnis ist für mich unendlich wertvoll.

Wenn es ein eindeutiges, klar abgegrenztes „Danach“ gibt (was ich bezweifle), gehört für mich dazu:

– Ich habe gelernt, wie Männer sich auf besondere Weise tief verbinden können. So etwas kannte ich „davor“ nicht. Ich finde es immer wieder erstaunlich und ein echtes Geschenk, wenn das passiert.

– Ich bin nicht allein mit all den Lebens- und Sinnfragen (und insbesondere kein „Alien“ 😉

– Ich versuche, freundlicher zu mir und meinen „Störenfrieden“ (Trauer, Ängsten, Fragen, Wut, unerfüllte Träume…) zu sein. Ich möchte lernen, sie als Wegbegleiter anzunehmen und (vielleicht sogar später mal) als Ratgeber hinzubitten.

Und wie ist es bei dir mit all deinen Fragen?

Hast du schon mal ein einschneidendes (initiales) Erlebnis gehabt, das dein Leben verändert hat? Und denkst du, dass „danach“ irgendwas anders war?

L. P.

Hüter der Schwelle

8.5.24 nach dem Firming in Eisenach
Hüter der Schwelle
Walter räuchert mich und Bernhard trennt mit der Rute meine Bande zur diesseitigen Welt, mit den Segenssprüchen dieser gütigen Männer trete ich frohgemut über die Schwelle in die Anderwelt, hinaus in die Wildnis – allein mit mir und der Natur, ohne Zelt, ohne Feuer, ohne Essen, ohne Uhr. Einen schönen Platz finde ich stromaufwärts direkt am Bach,
die Jagdhütte in Sichtweite oben am Berg beunruhigt mich zu Unrecht, aber die Wildschweinsuhle direkt hinter dem Baum, an dem ich meine Plane befestig habe lässt mich nach kurzer Abwägung alles wieder abbauen und weiterziehen.
Meinen Platz finde ich dann auf dem Kamm mit Blick auf den Bach, ein umgestürzter toter Baum und davor ein ganz kleiner neugeborener, der gerade seine Blütenknospen öffnet laden mich ein: hier zwischen Tod und Neugeburt bin ich richtig.
Als alles getan ist und ich sitze, auf das Wasser hinunterschaue und den Vögeln lausche stellen sie sich ein, meine Hüter der Schwelle, und da sind sie: Kälte und Unruhe. Es geht mir immer schlechter, weiß mich nicht zu lassen, werde nicht warm, finde keine Ruhe. Der graue Himmel lässt keine Tageszeit erahnen, die Kälte dringt mir in die Glieder, rastlos treiben die Gedanken. Schließlich erkenne ich meine alten Familienmitglieder: die Kälte des Vaters und die Unruhe der Mutter. Komm in die Gänge, Andreas, benutze deinen Verstand, deine Erfahrung und deine Kraft, deine Sinne und deine Intuition! Mit Singen und Beten, Atmen und Tai Chi werde ich ein bisschen wärmer, Ich schreibe ein Gedicht über den munteren Bach im Tal und sein vielstimmiges Gebrabbel und Gekicher. Ich begrüße die großen
Buchen, Eichen und Ulmen auf meinem Kamm und begreife, warum ich unten am Bach nicht bleiben konnte: hier, unter den Männern ist mein Platz, hier werde ich ruhig. Das Weibliche unten im Tal grüße ich von hier mit Dankbarkeit, Freude und Respekt.
Ich finde einen schönen langen Strecken und trete in den Kreis der großen Bäume. Ich bitte um ihre Weisheit und Kraft und um ihren Segen. Ihre Großzügigkeit wärmt mich und ihr freundlicher Spott macht mich ruhig. Nur Männer können Männer heilen, sagt Bernhard später. Die Kälte verlangt nach meiner Wärme, und ich verspreche, ich gebe weiter, was ich bekommen habe. Der Herr ist mein Hirte, aber mein Stecken und Stab werden die Zuversicht weitergeben.
Früh bin ich wach, packe meine Sachen und sitze: das Morgenkonzert der Vögel, die vielen kleinen Stimmen des Bachlaufs im Tal, der heitere Ernst der großen Bäume auf der Höhe, die dunklen umgefallenen Stämme und unter ihnen die Schösslinge mit ihrem frischen Grün.
Dann ruft mich Manfreds Trommel, Bernhard begrüßt mich an der Schwelle, reich beschenkt kehre ich zurück zu den Menschen.

Andreas

Bachlauf, du munterer
spül meine Schmerzen
wieder zurück zu mir
zu lange steckten sie fest
unter dem Staudamm der Lüge.

Zu lange saß ich am breiten Fluss
der unterworfenen Städte
gefügig gemacht durch den
steinernen Frieden trug er
die Lastkähne wie ein stummes Tier

Du aber kleiner Bach
du gluckst und kicherst
bei jedem neuen Hinternis
und dein vielstimmiges Gelächter
heilt mein schmerzloses Leid.

Andreas

Du entscheidest!

Der Imperativ in der Überschrift nimmt die Antwort vorweg. Du entscheidest!
Doch wie lautet die dazu gehörende Frage? Bevor dieses „Geheimnis“ gelüftet wird,
zunächst eine kleine Einordnung.

Vor einigen Wochen haben wir ein neues Jahr begonnen. Viele nehmen sich im
Jahreswechsel an Silvester Dinge vor und machen sich an einem Abend gute Vorsätze
fürs neue Jahr. Du auch? Ich schon!
In diesem Jahr habe ich die Raunächte gefeiert. 13 Wünsche galt es zu formulieren. Während 12 Wünsche an Gott und an das Universum abgegeben werden konnten, indem sie Nacht für Nacht verbrannt wurden, liegt die Erfüllung des letzen Wunsches in der eigenen Verantwortung. Niemand und nichts kümmert sich darum, wenn ich es nicht selber mache. Ich entscheide, ob der Wunsch ein Wunsch bleibt oder ein Ziel wird, das eine Chance auf Realisierung hat.
Mein 13. Wunsch lautet: Der neue Disponent macht seine Arbeit gut! Und ich habe mehr Zeit für mich. Der „Disponent“ ist in dem Fall keine angestellte Person, sondern eine Figur aus meinem inneren Team.

Der „alte Disponent“ hat alle freien Zeiten mit beruflichen Terminen gefüllt. Das logische Ergebnis war viel Arbeit, zu viele Anforderungen, wenig Erholung und gelegentlich streikte meine Motivation und ich fand mich am Rande meiner Kräfte wieder.

Da der Wunsch kein Wunsch bleiben sondern Realitiät werden soll, habe ich einen „neuen Disponenten“ eingestellt. Weniger prosaisch: Ich habe mir ein Ziel gesetzt. Ich will mehr Achtsamkeit und mehr Augenmaß im Umgang mit meinen persönlichen Kräften, meinen Grenzen und meinen Ressourcen üben. Ich will Zeiten einplanen, die auch wirklich frei bleiben, die der Muße und der Entspannung dienen. Ein toller Gedanke und eine schöne Perspektive!

Und dann merke ich, wie sich in dieses Ziel Vorbehalte mischen, wie mehrere ABER sich Raum verschaffen wollen. Was mache ich mit der Zeit, die dann mehr ist? Wird mir dann nicht langweilig? Habe ich Hobbies?
Solche und ähnliche Fragen schlichen sich ein. Zunächst schüttelte ich den Kopf. Dann schaute ich noch etwas tiefer und es stellten sich neue, existentiellere Fragen: Was ist das Maß für genug? Was denkst du wirklich über dich? Bist du, was du schaffst? Bemisst du dich selbst nach deiner Leistung?

Tja, was bin ich, wenn ich weniger oder nichts mehr leiste? Die Frage geht mir nah, sie trifft mich und macht mich unruhig. Sie wartet auf Antwort und so wird die Frage mich begleiten. Wohl nicht nur die ersten Wochen, sondern mindestens das gesamte Jahr über. Niemand wird die Entscheidung für mich treffen. Ich werde entscheiden und Antworten finden. Und es geht um viel. Es geht um mich, um meine Gesundheit, um mein Leben. Ich entscheide, wo die Reise hingehen wird.

Vielleicht hast du ähnliche Fragen. Vielleicht befindest du dich auch auf dieser inneren Reise. Dann lass uns, wenn wir uns sehen, darüber reden und uns Anteil geben.
Ich freue mich an deiner inneren Reise Anteil haben zu dürfen.

Peter H.

Initiiert – und nun?

(M)ein steiniger Weg

Wenige Tage nach meiner Initiation im Juli wollte ich eine Art Erfahrungsbericht für diesen Blog schreiben. Das war die Idee. Im September habe ich dem Admin hier angekündigt, einen Blogbeitrag zu schreiben – wohl auch, um mir etwas Druck zu machen, endlich anzufangen. Jetzt im Februar – mehr als ein halbes Jahr nach der Initiation – sortiere ich zum x-ten Mal meine Gedanken und versuche sie in einen Text zu gießen. Vermutlich braucht es einfach Zeit, das Erlebte und meine Gefühle dazu, zu sortieren und in Worte fassen zu können. Außerdem brauche ich generell für viele Dinge (alle?) sehr, sehr, sehr… viiieeeel Zeit, gefühlte Ewigkeiten. Leider (?) Gottes habe ich diese Eigenschaft an meinen Sohn „vererbt“. Bei ihm treibt sie mich regelmäßig zur Weißglut (und wie…)

Vielleicht braucht es auch einfach nur diese Zeit, um meinen Stein zu finden. Später mehr dazu.

Was nun also? Ich bin initiiert. Und jetzt?

Kurz gesagt:

Ich habe absolut keine Ahnung. 🙂 Ich habe wahrscheinlich mehr Fragen als vorher – mit Sicherheit auch welche, die ich (mir) vorher (noch) nicht gestellt habe, und welche, die ich mich (früher) nicht getraut habe (mir) zu stellen.

Ich versuche mich mal an (m)einer Antwort auf die Frage „Und nun?“:

Die gemeinsamen Tage der Initiation unter vielen Männern haben mich sehr berührt und nachhaltig beeindruckt.

Begeistert von dieser Erfahrung wollte ich einen „Tschakka-Text“ für den Blog schreiben: „Yeah, ich war dabei. Jetzt wird alles anders. Ich habe gleichgesinnte Männer getroffen, kennen und schätzen gelernt. Ich bin nicht allein. Jetzt wissen wir wie es geht. Auf geht’s, los! Jetzt wird alles gut.

Ein paar Wochen später fühlte sich das alles schon anders an.

An das Erlebte konnte ich nicht mehr anknüpfen. Eine gewisse Enttäuschung und Traurigkeit machte sich in mir breit. Ich wollte die Eindrücke, Gefühle, Gespräche, unsere Gemeinschaft unter Männern… – alles – konservieren und festhalten.

Ich versuchte Kontakt zu anderen Männern, zu „meinen“ Männern aufzunehmen: per E-Mail, per Telefon, über ein Forum. Das war nicht dasselbe. Ich wollte meine Erinnerungen wach halten. Ich war doch so begeistert und berührt. Die wohligen Gefühle verblassten immer mehr.

Ungefähr in dieser Zeit kündigte ich dem Admin diesen Text an – wohl auch mit der Hoffnung, die Erfahrungen im Sommer wieder auffrischen, mich wieder mit dem Erlebten verbinden zu können, wieder zu fühlen. Irgendwann in dieser Zeit muss ich dann meinen Stein gefunden haben.

Er lag mitten in der Stadt am Straßenrand direkt vor meinen Füßen.

Sofort verband ich mit ihm etwas, das mir jemand während meiner Initiation schenkte. Das gefiel mir, ich steckte den Stein ein. Ich verband damit die Hoffnung, mich besser, öfter, einprägsamer an die bewegenden Tage im Sommer erinnern zu können. Jedes Mal, wenn ich ihn in die Hand nahm, wollte ich mich erneut berühren lassen, meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, es anschubsen.

Ein Stein des Anstoßes?

Trotz dieser handfesten „Merkhilfe“ rannen mir die angenehmen Erinnerungen wie Sand durch die Finger. Ich wollte sie so gerne (im Herzen) bewahren und das gelang mir nicht. Irgendwie schien es nicht machbar, unmöglich zu sein, sie festzuhalten. Und dann kam der Herbst: immer kürzere Tage, trübe Tage, immer mehr Dunkelheit.

Ganz anders als sonst merkte ich in diesem Jahr – zu meinem Erstaunen – wie sich der Spätherbst auf mein Gemüt auswirkte. Mit der sich ausbreitenden Dunkelheit wurde meine Stimmung von Tag zu Tag düsterer. Ich schlief schlecht, machte mir viele Gedanken, alles war eingetrübt. Mit den immer kürzeren Zeiten von (Tages-)Licht, wurde ich melancholischer, immer mehr Trübsal und Schwermut machten sich breit. Meine Lebensenergie und -freude vom Sommer schwand und schwand.

Das war hart – für mich und für mein direktes Umfeld. Sehr hart. Auf eine gewisse Art und Weise war ich erstarrt – zu Stein geworden.

Hart wie mein Stein?

Diese Phase ist nach wie vor noch nicht komplett vorüber. Aber inzwischen habe ich das Gefühl wieder, Boden unter die Füße zu bekommen. Das fühlt sich gut an und macht mich zuversichtlich. Die Wintersonnenwende ist – zum Glück – passé. Die Tage werden wieder länger. Es wird immer heller. Licht.

Danach sehne ich mich. Nach Licht, nach Sonne, nach Wärme.

Nach Erwachen, nach Wachsen, nach Gemeinschaft, nach Austausch, nach Tiefe, nach Berührung…

Irgendwie so wie ich mich im Sommer mit „meinen“ Männern bei der Initiation fühlte.

Seit dem Spätsommer begleitet mich mein Stein auf Schritt und Tritt – jederzeit griffbereit in meiner linken Hosentasche. Auf jedem Weg ist er dabei. Mein Stein gibt mir Halt, Festigkeit, Standhaftigkeit – eine gute Basis, um mit mir in Kontakt zu sein, mit mir in Verbindung zu gehen, wenn ich ihn in die Hand nehme. Und mein Stein ist eine wunderbare „Merkhilfe“, mit dir, lieber Bruder, gemeinsam auf dem (Pilger-)Weg und verbunden zu sein.

Nachwort

Vor einigen Tagen habe ich meinen Stein verloren.

Ich vermute, dass er mir aus der Hosentasche gerutscht ist, als ich meinen Schlüssel herausgeholt habe. Ich hatte mich auf eine Bank in die Sonne gesetzt und wollte die Wärme genießen. Einen Tag später fiel mir auf, dass mein Stein weg ist. Wo konnte er nur sein? Ich war traurig. Kann ich ihn wiederfinden? Wo soll ich ihn suchen?

Ich habe mich entschieden ihn nicht zu suchen. Von meinem Stein habe ich mich verabschiedet. Vielleicht soll es so sein.

Ich interpretiere es so: ich brauche meine Merkhilfe nicht mehr. Nun „schleppe“ ich ein Ding weniger mit mir herum, eine „Last“ ist „abgefallen“. Vielleicht ist es eine Übung loszulassen, nicht an Dingen festzuhalten. Vielleicht ist es ein Hinweis, die Idee an sich von dem „Ding“ zu unterscheiden. Der Stein steht nur für die Erinnerung an die Initiation, an die Gemeinschaft, den Kontakt und die Verbindung, der Stein ist nur ein Symbol. Gemeinschaft, Kontakt und Verbundenheit finde ich nicht im oder mit dem Stein. Ich glaube viel mehr der Verlust soll mir sagen: Trau dich, lass los. Du kannst auch so mit dir, mit Männern, mit der Schöpfung in Kontakt gehen, dich verbinden und eins werden.

P. S. Während der Initiation war ich ich mit „meinen“ Männern in der Gruppe „Petrus“ – der Fels, das Fundament. Vielleicht ist mein Stein ein kleiner Fels, eine Basis, auf der ich etwas (auf-)bauen kann. Sicher keine Kirche ;-), aber vielleicht mehr Verbundenheit mit mir und der Welt.

P. P. S. Vielleicht hat auch meine erste Teilnahme an der Ratsversammlung Anfang diesen Jahres dazu beigetragen, leichter in Kontakt mit mir und den anderen Männern zu kommen. Aber nur vielleicht. 😉

Männer, ich spüre die Verbundenheit. Danke!

L. P.

Es ist Unglaublich…

„Achtung Erzählung. Ein wenig Geduld fürs Erzählen, bitteschön. Und dann Geduld durch das Erzählen!“ (1)

Schon vieles hatte ich bis dahin in meinen gut 44-jährigen Leben erlebt. Da war die Kapitulation vor der Sucht 11 Jahre zuvor, da war das oft so schmerzvolle Eingeständnis meiner eigenen Egozentrik und das Verständnis dafür, dass ich mir meine Probleme im Wesentlichen immer selbst kreiert hatte. Ich durfte erfahren, dass ich aus einer dysfunktionalen Familie, die zutiefst trauma-geschädigt ist, stamme und konnte sehen, dass es mir selbst nie gelang, gesunde Beziehungen dauerhaft zu pflegen und zu erhalten. Es schien, als ob ich eine Art Seelenerbe mit mir rumtrug.

All das durfte ich erkennen, benennen und annehmen durch die heilsame Mystik des 12-Schritte-Programms und begleitet von einem tiefen Glauben, der daraus wuchs, durfte ich akzeptieren, dass die Reise zu mir selbst – zu meinem wahren Selbst – wohl nie enden wird.

Was mir aber am 18. Dezember 2020 von meiner eigenen Mutter berichtet wurde, hätte mir die Beine wegziehen können. Es ist zu umfangreich, hier zu beschreiben, was genau geschah. Ich kann Euch Brüdern aber berichten, dass von jetzt auf gleich meine bis dahin gelebte Identität verpuffte. Alles hatte mit meinem Vater zu tun – dem Mann, den ich bis dahin für meinen Vater hielt.

Ich erfuhr an diesem Tag, dass ich nicht der Sohn dieses Mannes bin, mit dem ich gerade erst den Weg der scheinbaren Versöhnung eingeschlagen hatte, weil ich erkannt hatte, dass mein „Vaterhunger“ (2) fast unerträglich geworden war.

Es folgten wirklich krasse Wochen, in denen ich so manches Mal befürchtete, verrückt zu werden. Wie sollte ich mit dieser neuen Wahrheit umgehen? Mit wem sollte ich darüber reden? Was würde all das für Konsequenzen haben?
Nur „scharfe Kanten“ (3) im Umgang mit meinen bis dahin angeeigneten Ritualen wie Gebet, Selbstüberprüfung, Meditation und das Vertrauen auf einen Gott, den ich bis heute viel zu oft nicht verstehe und ihn zum damaligen Zeitpunkt oft genug anklagte, retten mich nun vor dem Wahnsinn.

Ich war darauf angewiesen, dass dieser Unerschöpfliche mir dem Unersättlichen den Weg weisen würde. (4)

Auch wenn ich heute zu denen gehöre, die das „Ritual als Prozess“ (5) verstehen, welcher einen klaren Anfang und ein klares Ende haben sollte, so glaube ich doch, dass meine Initiation rund um die Initiation auch schon Initiation war – also irgendwie dazu gehörte und meinen ganz persönlichen Weg ins Mann-Sein beschrieb.
Ich war gezwungen den „berechnenden Verstand“ (6) auszuschalten – nein ich hatte das Gefühl, dass zwar wirklich galt, „dass es Gott denen, die Ihn suchen nicht so schwer macht“ (7), aber diese Suche war keine Suche, wie wir sie mit unserem dualistischen Denken (8) beschreiten könnten. Sie bedeutete, wirklich loszulassen und es passieren zu lassen.
Hier ging es nicht mhr darum, dass ich irgendetwas hätte kontrollieren können.

Die Tage in der Natur waren geprägt von einer Mystik, wie ich sie brauchte. Hier wurden mir keine Vorträge gehalten (9) im Sinne von „Wie helfe ich mir selbst“ und „Wir machen jetzt das und dann hat es das zur Folge“. Das, was hier passierte, war keine Therapeutik oder eine Art Coaching. Nein, irgendwie wurde mir in diesen Tagen alles zum Symbol – ja sogar zum Sakrament. Es war Seine ganz persönliche Ansprache an mich.

Während der MROP 2021 verspürte ich große Trauer, gewaltige Wut, krasse Angst und manchmal auch Einsamkeit und ich bin Gott dankbar, dass mich niemand in den Arm genommen hat, ja dass ich nicht einmal die Möglichkeit dazu erkannte, dies eventuell einzufordern. Nur so war ich bereit, diese „Art symbolischen Tod“ (10) zu sterben. Ich war bereit, das Sterben zu lernen, bevor ich einmal sterben werde.

Heute ist mir klar, dass ich schon vorher tausende Tode gestorben war. Nie tat ich das in Gemeinschaft, nie hatte ich erkannt, dass ich auf Gott zu und durch etwas durchsterben konnte und nie zuvor war mir klar, dass das Sterben zum Leben gehört. Erst hier in der Natur für die Tod und Leben eins zu sein scheinen, wurde mir das klar.

Für mich gibt es heute ein „deutliches Vorher-Nachher“ (11). Es gibt ein Danach, nachdem ich das „Fürchte Dich nicht… Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, … Benaja!“ (12) vom Großen Ganzen empfangen habe. Ich trage diesen Namen heute sogar in meinem Pass und ich weiß, dass die Initiation nichts ist, was ich mir hätte verdienen können (13).

Die Identität, die ich heute leben darf, ist eine ins Leben initiierte Identität. Sie ist Gnade und Geschenk. Sie ist aber ebenso Beginn und Auftrag, denn sie hat mich verändert. Ich kann, was ich erfahren habe, nur behalten und genießen, wenn ich es weitergeben und als lebendiges Zeugnis diene. Unglaublich dankbar bin ich den Männern, die den Weg vor mir gegangen sind und die mir zur Verfügung gestellt haben, wovon ich heute berichten darf.

Nun heißt es, den Weg mutig vorangehen und das bedeutet auch, das Feuer heiß zu halten. Dies kann ich nicht allein und brauche die Gemeinschaft und Verbundenheit der Brüder – derer die schon waren, die sind und die noch kommen werden – dafür, denn auch ein Holzscheit verliert seine Energie, nimmst Du es aus dem Feuer. (14)

Meine Vater-Wunde ist verheilt, denn ich habe meinen wirklichen Vater gefunden – Er ist größer, unerschöpflicher, liebender und wilder, als ich mir je hätte vorstellen können – und ich verstehe Ihn immer noch nicht! Hierzu möchte ich mit einer kurzen Erzählung enden, die in Worte fasst, was geschehen ist.

Und ja, Geschichten, sie sind es, die mich mit Euch verbinden….

„Zu einem Schüler, der ständig am Beten war, sagte der Meister: ‚Wann wirst du aufhören, dich auf Gott zu stützen und lernen, auf eigenen Füßen zu stehen?‘
Der Schüler war erstaunt: ‚Aber gerade Ihr habt uns gelehrt, Gott als unseren Vater anzusehen!‘
Der Meister: ‚Wann wirst du lernen, daß ein Vater nicht jemand ist, auf den man sich stützen kann, sondern jemand, der dich von deinem Anlehnungsbedürfnis befreit?‘“

Anthony de MelloWo das Glück zu finden ist, Freiburg i.B. 1994, S. 309.

Ach, und noch was … ich führe seit mehr als einem Jahr eine stabile Beziehung mit einer ganz bezaubernden Frau. Wer hätte das gedacht?

Seid behütet und gesegnet Brüder!

Kolja Benaja

(1) Peter Handke zitiert in Die Krise der Narration von Byung-Chul Han, Berlin 2023, S.7.
(2) Vgl. Die Vaterwunde in Richard RohrVom weisen Mann zum wilden Mann, München 2006, S.90ff.
(3) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 226.
(4) Vgl. Paul Claudel „Das Unersättliche kann sich nur an den Unerschöpflichen wenden.“ aus Andreas KnappLebensspuren im Sand, Freiburg i.B. 2015, S. 21.
(5) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 226.
(6) A.a.O., S 224.
(7) Anonyme Alkoholiker, S.54.
(8)Vgl. Richard RohrStille und Mitgefühl, München 2015, S. 95ff.
(9) Vgl. Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 226.
(10) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 228.
(11) A.a.O., S. 229.
(12) Vgl. Jesaja 43,1.
(13) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 230.
(14) Vgl. John Wesley paraphrasiert von Richard Rohr in einem Video, welches sich an initiierte Männer richtet, https://www.youtube.com/watch?v=K_WrbYnI7aw

Erwartet das Beste!

Euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest, fröhliche Feiertag und einen guten Rutsch ins Jahr 2024. Mögen diese besonderen Tage und Nächte uns und der Welt Frieden bringen.

Franziskanische Wanderung

„Franziskanisch Wandern“ heißt Reduzierung auf das Einfache, Verzicht auf Annehmlichkeiten, ein bewusst herbeigeführtes angewiesen Sein auf Andere und ihre Hilfsbereitschaft und Unterstützung. Wer ohne Zelt oder Tarp wandert und keine Unterkunft organisiert hat und kein Geld für Übernachtung einplant hat, ist auf das Wohlwollen vom Menschen angewiesen, die bereit sind spontan sieben fremde Männer für eine Nacht unentgeltlich unterzubringen.

Tatsächlich hat es funktioniert! Die Angesprochenen haben sich unseres Problems angenommen, haben nach einer Lösung gesucht und uns an Ansprechpartner im Dorf vermittelt. Unsere Freude und Dankbarkeit war groß, als wir in einer Alten Schule, einem Kolpingheim und einem Sportheim unterkamen und dort nicht nur die Toiletten sondern auch die Küche benutzen durften. Durch die Offenheit und das Vertrauen entstand Verbundenheit und Brüderlichkeit, mit den Gastgebern und auch innerhalb der Gruppe. Das Gefühl, getragen zu sein, ist für mich tröstlich und tief berührend. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen, denen ich begegnet bin, mit der Natur und mit mir selbst. Ich wurde reich beschenkt.
Danke!

Heinrich

Wieder fühle ich mich in diesen Tagen ganz besonders mit der Welt und dem Leben verbunden; und das auf allen Ebenen:
ICH – einige Routinen und manchen Luxus muss ich loslassen und stattdessen die Ungewissheit gelassen und heiter annehmen.
DIE GRUPPE – beinahe rund um die Uhr sind wir zusammen. In einigen Momenten ist das auch ein Aushalten, aber sehr viel öfter ein Staunen. Jeder bringt seine eigenen besonderen Fähigkeiten ein, sodass wir total bereichert und für alles gewappnet unterwegs sind.
DAS GROSSE GANZE – tagsüber beherbergt, beschenkt, besonnt und auch beregnet uns die Schöpfung und abends dürfen wir Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Dorfgemeinschaft bei der Quartierssuche erleben. Schon 16-mal habe ich in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen eine franziskanische Wanderung unternommen – so viel Tiefe und Gleichklang wie dieses Mal mit uns initiierten Männern habe ich dabei noch nie gespürt.

Daniel

Gehen zusammen und einzeln, Schritt für Schritt, zunehmend geerdet, im Hier und Jetzt, in Kontakt. Wir Sieben einigen uns erstaunlich schnell: Wohin soll es heute gehen? Wie wollen wir einen Schlafplatz finden? Wie wollen wir dafür sorgen, dass alle gut genährt sind? … Ich bin überrascht, wie gut das geht, obwohl ich vorher nur einen von allen kannte, bin überrascht, wie viel Hilfe wir in den Dörfern erfahren, lerne anzunehmen, was mir geschenkt wird, freue mich über die Impulse der anderen Männer. Wir unterstützen uns.
Ich nehme viel mit nach Hause.

Uli

Gestartet sind wir als sieben einzelne Männer.
Unterwegs hat uns Mutter Erde reichlich mit ihren Gaben erfreut (Pilze, Brombeeren, Äpfel, Birnen, Pflaumen und Mirabellen).
Das Sauerland hat uns mit abwechslungsreichen Wanderwegen und traumhaften Aussichten verwöhnt.
Die Sauerländer haben uns mit offenen Herzen empfangen und als Dorfgemeinschaft selbstlos Übernachtungen für uns organisiert.
Wir Männer haben mit unterschiedlichen Impulsen unsere eigene Spiritualität für die anderen erlebbar gemacht.
Angekommen sind wir als vertraute Gruppe und voller Dankbarkeit.

Wolfram

In einer Ecke war ich, zusammengekauert. Nun, geht es raus, in den Zug, in den Bus, in den Wald, mit dem Rucksack, auf die Beine. Sie tragen mich, meine Füße. Ich werde getragen von der Gruppe. Ich falle, aber ich falle nicht, also schwebe ich, ich schwebe nicht, die Erde trägt mich. Die Gruppe, ein Chaos, das sich sortiert und findet. Geschichten, die sich öffnen, mir öffnen, und mich öffnen. Vertrauen.Gemeinschaft, Landleben, ich habe Urvertrauen in unsere gemeinsame Fähigkeit,dass wir gemeinsam etwas finden. Endlich!

P.

So ganz versteht man den Segen erst am Ende. Zwischendurch war es auch richtig anstrengend soweit mit dem Rucksack zu laufen. Gar nicht anstrengend, nur manchmal etwas spannend war es, mit den Männern unterwegs zu sein, den Weg zu finden und schließlich eine Übernachtung geschenkt zu bekommen.
Am Ziel angekommen, zurück schauend: Was für ein Geschenk: Mit Männern unterwegs zu sein, spirituelle Erfahrung und Sehnsucht teilen, in der Natur zu gehen und zu verweilen. Sehen wie die Jungen (drei Männer der Jungmännerinitiation 2022) und die Alten zusammen gehören – wie wunderbar. Mit jedem ein Stück Weg gegangen, eine Prise Leben geteilt.
Danke Euch allen!

Hartmut

Männerpfade open council

von Uwe Grohmann

Council  
                                                                          
Seit ich Council mit anderen Männerpfade Brüdern im Eschwege Institut kennen und lieben lernte, hat es mich in verschiedenen Formen begleitet und mein Blick auf Council sich immer wieder etwas verändert. Wichtig sind mir:

Der Kreis

Wir sitzen alle in einem Kreis. Alle sitzen gleich weit voneinander entfernt, niemand ist „Vor-Sitzender“ Unsere Gesichter sind einander zugewandt, unsere Rücken schirmen den Kreis nach außen und geben Sicherheit. Wir alle tragen Verantwortung für diese Sicherheit, in dem wir nichts aus dem Kreis nach außen tragen.
Unsere Kommunikation folgt dem Bild des Kreises. Kein Hin- und her, keine Gegenrede, keine Diskussion. Was gesagt wurde, darf stehen bleiben. Es erfordert keine Reaktion, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt seine Wirkung entfalten.

Das Feuer

Wir haben eine Mitte, auf die wir uns fokussieren. Das Entzünden des Feuers zeigt uns, dass wir uns mit etwas verbinden, dass größer ist, als wir selbst. Die Symbolische Wärme des Feuers geben auch wir im Miteinander weiter.

Der Stab

Symbol der Klarheit und der Strukturierung in einer offenen Umgebung. Es spricht wer den Stab hat. Der Rhythmus des Aufnehmens, Sprechens, Ablegens sorgt für Aufmerksamkeit von Sprecher und Hörern für das Gesagte, in der Sprechpause darf es seine tiefere Wirkung entfalten und wird nicht
sofort vom Neuen überdeckt.

Ent-Spannung

Council entsteht bereits im Miteinander sein, es muss nichts passieren, wir müssen nichts leisten. Wir lassen uns Zeit, bis etwas Relevantes zu erzählen ist. Wir sind achtsam für das was im Kreis und das was in uns sich zeigen will.

Männerpfade Open Council

Bei Männerpfade counceln wir eigentlich immer, wenn wir uns sehen. Und als der direkte Kontakt nicht möglich war, ist das Männerpfade Open Council über Zoom entwickelt worden. Inzwischen ist es ein festes Angebot geworden. Und das hat viele Gründe:

Council passt gut zur strukturierten, etwas umständlichen Kommunikation über Computer. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich auch Online viel Nähe und Vertrauen im Kreis aufbauen kann. Die regelmäßigen, 14tägigen Treffen ermöglichen es uns allen, die wir ja weit verstreut leben, den Kontakt zu den Brüdern und zur eigenen Erfahrung der Initiation zu halten.
Für neue Interessierte Männer, die keine persönlichen Kontakte haben, sondern im Netz auf uns aufmerksam geworden sind, bietet es die niedrigschwellige Möglichkeit Männerpfade kennen zu lernen. Die Erfahrung zeigt, dass alleine der Umgang und die Offenheit der Männer untereinander bemerkenswert erlebt wird. Einige Anmeldungen zur MROP sind bereits gefolgt.

Von daher: Wenn Du an einem Dienstag oder Donnerstag (Termine auf der homepage) den Wunsch nach brüderlichem Austausch hast, klicke ab 19:50 auf den Link und einer von uns heißt Dich im Kreis willkommen. Um 20:00 geht’s los. Wir freuen uns auf dich (Manfred, Walter, Stefan und Uwe)