Du entscheidest!

Der Imperativ in der Überschrift nimmt die Antwort vorweg. Du entscheidest!
Doch wie lautet die dazu gehörende Frage? Bevor dieses „Geheimnis“ gelüftet wird,
zunächst eine kleine Einordnung.

Vor einigen Wochen haben wir ein neues Jahr begonnen. Viele nehmen sich im
Jahreswechsel an Silvester Dinge vor und machen sich an einem Abend gute Vorsätze
fürs neue Jahr. Du auch? Ich schon!
In diesem Jahr habe ich die Raunächte gefeiert. 13 Wünsche galt es zu formulieren. Während 12 Wünsche an Gott und an das Universum abgegeben werden konnten, indem sie Nacht für Nacht verbrannt wurden, liegt die Erfüllung des letzen Wunsches in der eigenen Verantwortung. Niemand und nichts kümmert sich darum, wenn ich es nicht selber mache. Ich entscheide, ob der Wunsch ein Wunsch bleibt oder ein Ziel wird, das eine Chance auf Realisierung hat.
Mein 13. Wunsch lautet: Der neue Disponent macht seine Arbeit gut! Und ich habe mehr Zeit für mich. Der „Disponent“ ist in dem Fall keine angestellte Person, sondern eine Figur aus meinem inneren Team.

Der „alte Disponent“ hat alle freien Zeiten mit beruflichen Terminen gefüllt. Das logische Ergebnis war viel Arbeit, zu viele Anforderungen, wenig Erholung und gelegentlich streikte meine Motivation und ich fand mich am Rande meiner Kräfte wieder.

Da der Wunsch kein Wunsch bleiben sondern Realitiät werden soll, habe ich einen „neuen Disponenten“ eingestellt. Weniger prosaisch: Ich habe mir ein Ziel gesetzt. Ich will mehr Achtsamkeit und mehr Augenmaß im Umgang mit meinen persönlichen Kräften, meinen Grenzen und meinen Ressourcen üben. Ich will Zeiten einplanen, die auch wirklich frei bleiben, die der Muße und der Entspannung dienen. Ein toller Gedanke und eine schöne Perspektive!

Und dann merke ich, wie sich in dieses Ziel Vorbehalte mischen, wie mehrere ABER sich Raum verschaffen wollen. Was mache ich mit der Zeit, die dann mehr ist? Wird mir dann nicht langweilig? Habe ich Hobbies?
Solche und ähnliche Fragen schlichen sich ein. Zunächst schüttelte ich den Kopf. Dann schaute ich noch etwas tiefer und es stellten sich neue, existentiellere Fragen: Was ist das Maß für genug? Was denkst du wirklich über dich? Bist du, was du schaffst? Bemisst du dich selbst nach deiner Leistung?

Tja, was bin ich, wenn ich weniger oder nichts mehr leiste? Die Frage geht mir nah, sie trifft mich und macht mich unruhig. Sie wartet auf Antwort und so wird die Frage mich begleiten. Wohl nicht nur die ersten Wochen, sondern mindestens das gesamte Jahr über. Niemand wird die Entscheidung für mich treffen. Ich werde entscheiden und Antworten finden. Und es geht um viel. Es geht um mich, um meine Gesundheit, um mein Leben. Ich entscheide, wo die Reise hingehen wird.

Vielleicht hast du ähnliche Fragen. Vielleicht befindest du dich auch auf dieser inneren Reise. Dann lass uns, wenn wir uns sehen, darüber reden und uns Anteil geben.
Ich freue mich an deiner inneren Reise Anteil haben zu dürfen.

Peter H.

Initiiert – und nun?

(M)ein steiniger Weg

Wenige Tage nach meiner Initiation im Juli wollte ich eine Art Erfahrungsbericht für diesen Blog schreiben. Das war die Idee. Im September habe ich dem Admin hier angekündigt, einen Blogbeitrag zu schreiben – wohl auch, um mir etwas Druck zu machen, endlich anzufangen. Jetzt im Februar – mehr als ein halbes Jahr nach der Initiation – sortiere ich zum x-ten Mal meine Gedanken und versuche sie in einen Text zu gießen. Vermutlich braucht es einfach Zeit, das Erlebte und meine Gefühle dazu, zu sortieren und in Worte fassen zu können. Außerdem brauche ich generell für viele Dinge (alle?) sehr, sehr, sehr… viiieeeel Zeit, gefühlte Ewigkeiten. Leider (?) Gottes habe ich diese Eigenschaft an meinen Sohn „vererbt“. Bei ihm treibt sie mich regelmäßig zur Weißglut (und wie…)

Vielleicht braucht es auch einfach nur diese Zeit, um meinen Stein zu finden. Später mehr dazu.

Was nun also? Ich bin initiiert. Und jetzt?

Kurz gesagt:

Ich habe absolut keine Ahnung. 🙂 Ich habe wahrscheinlich mehr Fragen als vorher – mit Sicherheit auch welche, die ich (mir) vorher (noch) nicht gestellt habe, und welche, die ich mich (früher) nicht getraut habe (mir) zu stellen.

Ich versuche mich mal an (m)einer Antwort auf die Frage „Und nun?“:

Die gemeinsamen Tage der Initiation unter vielen Männern haben mich sehr berührt und nachhaltig beeindruckt.

Begeistert von dieser Erfahrung wollte ich einen „Tschakka-Text“ für den Blog schreiben: „Yeah, ich war dabei. Jetzt wird alles anders. Ich habe gleichgesinnte Männer getroffen, kennen und schätzen gelernt. Ich bin nicht allein. Jetzt wissen wir wie es geht. Auf geht’s, los! Jetzt wird alles gut.

Ein paar Wochen später fühlte sich das alles schon anders an.

An das Erlebte konnte ich nicht mehr anknüpfen. Eine gewisse Enttäuschung und Traurigkeit machte sich in mir breit. Ich wollte die Eindrücke, Gefühle, Gespräche, unsere Gemeinschaft unter Männern… – alles – konservieren und festhalten.

Ich versuchte Kontakt zu anderen Männern, zu „meinen“ Männern aufzunehmen: per E-Mail, per Telefon, über ein Forum. Das war nicht dasselbe. Ich wollte meine Erinnerungen wach halten. Ich war doch so begeistert und berührt. Die wohligen Gefühle verblassten immer mehr.

Ungefähr in dieser Zeit kündigte ich dem Admin diesen Text an – wohl auch mit der Hoffnung, die Erfahrungen im Sommer wieder auffrischen, mich wieder mit dem Erlebten verbinden zu können, wieder zu fühlen. Irgendwann in dieser Zeit muss ich dann meinen Stein gefunden haben.

Er lag mitten in der Stadt am Straßenrand direkt vor meinen Füßen.

Sofort verband ich mit ihm etwas, das mir jemand während meiner Initiation schenkte. Das gefiel mir, ich steckte den Stein ein. Ich verband damit die Hoffnung, mich besser, öfter, einprägsamer an die bewegenden Tage im Sommer erinnern zu können. Jedes Mal, wenn ich ihn in die Hand nahm, wollte ich mich erneut berühren lassen, meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, es anschubsen.

Ein Stein des Anstoßes?

Trotz dieser handfesten „Merkhilfe“ rannen mir die angenehmen Erinnerungen wie Sand durch die Finger. Ich wollte sie so gerne (im Herzen) bewahren und das gelang mir nicht. Irgendwie schien es nicht machbar, unmöglich zu sein, sie festzuhalten. Und dann kam der Herbst: immer kürzere Tage, trübe Tage, immer mehr Dunkelheit.

Ganz anders als sonst merkte ich in diesem Jahr – zu meinem Erstaunen – wie sich der Spätherbst auf mein Gemüt auswirkte. Mit der sich ausbreitenden Dunkelheit wurde meine Stimmung von Tag zu Tag düsterer. Ich schlief schlecht, machte mir viele Gedanken, alles war eingetrübt. Mit den immer kürzeren Zeiten von (Tages-)Licht, wurde ich melancholischer, immer mehr Trübsal und Schwermut machten sich breit. Meine Lebensenergie und -freude vom Sommer schwand und schwand.

Das war hart – für mich und für mein direktes Umfeld. Sehr hart. Auf eine gewisse Art und Weise war ich erstarrt – zu Stein geworden.

Hart wie mein Stein?

Diese Phase ist nach wie vor noch nicht komplett vorüber. Aber inzwischen habe ich das Gefühl wieder, Boden unter die Füße zu bekommen. Das fühlt sich gut an und macht mich zuversichtlich. Die Wintersonnenwende ist – zum Glück – passé. Die Tage werden wieder länger. Es wird immer heller. Licht.

Danach sehne ich mich. Nach Licht, nach Sonne, nach Wärme.

Nach Erwachen, nach Wachsen, nach Gemeinschaft, nach Austausch, nach Tiefe, nach Berührung…

Irgendwie so wie ich mich im Sommer mit „meinen“ Männern bei der Initiation fühlte.

Seit dem Spätsommer begleitet mich mein Stein auf Schritt und Tritt – jederzeit griffbereit in meiner linken Hosentasche. Auf jedem Weg ist er dabei. Mein Stein gibt mir Halt, Festigkeit, Standhaftigkeit – eine gute Basis, um mit mir in Kontakt zu sein, mit mir in Verbindung zu gehen, wenn ich ihn in die Hand nehme. Und mein Stein ist eine wunderbare „Merkhilfe“, mit dir, lieber Bruder, gemeinsam auf dem (Pilger-)Weg und verbunden zu sein.

Nachwort

Vor einigen Tagen habe ich meinen Stein verloren.

Ich vermute, dass er mir aus der Hosentasche gerutscht ist, als ich meinen Schlüssel herausgeholt habe. Ich hatte mich auf eine Bank in die Sonne gesetzt und wollte die Wärme genießen. Einen Tag später fiel mir auf, dass mein Stein weg ist. Wo konnte er nur sein? Ich war traurig. Kann ich ihn wiederfinden? Wo soll ich ihn suchen?

Ich habe mich entschieden ihn nicht zu suchen. Von meinem Stein habe ich mich verabschiedet. Vielleicht soll es so sein.

Ich interpretiere es so: ich brauche meine Merkhilfe nicht mehr. Nun „schleppe“ ich ein Ding weniger mit mir herum, eine „Last“ ist „abgefallen“. Vielleicht ist es eine Übung loszulassen, nicht an Dingen festzuhalten. Vielleicht ist es ein Hinweis, die Idee an sich von dem „Ding“ zu unterscheiden. Der Stein steht nur für die Erinnerung an die Initiation, an die Gemeinschaft, den Kontakt und die Verbindung, der Stein ist nur ein Symbol. Gemeinschaft, Kontakt und Verbundenheit finde ich nicht im oder mit dem Stein. Ich glaube viel mehr der Verlust soll mir sagen: Trau dich, lass los. Du kannst auch so mit dir, mit Männern, mit der Schöpfung in Kontakt gehen, dich verbinden und eins werden.

P. S. Während der Initiation war ich ich mit „meinen“ Männern in der Gruppe „Petrus“ – der Fels, das Fundament. Vielleicht ist mein Stein ein kleiner Fels, eine Basis, auf der ich etwas (auf-)bauen kann. Sicher keine Kirche ;-), aber vielleicht mehr Verbundenheit mit mir und der Welt.

P. P. S. Vielleicht hat auch meine erste Teilnahme an der Ratsversammlung Anfang diesen Jahres dazu beigetragen, leichter in Kontakt mit mir und den anderen Männern zu kommen. Aber nur vielleicht. 😉

Männer, ich spüre die Verbundenheit. Danke!

L. P.

Es ist Unglaublich…

„Achtung Erzählung. Ein wenig Geduld fürs Erzählen, bitteschön. Und dann Geduld durch das Erzählen!“ (1)

Schon vieles hatte ich bis dahin in meinen gut 44-jährigen Leben erlebt. Da war die Kapitulation vor der Sucht 11 Jahre zuvor, da war das oft so schmerzvolle Eingeständnis meiner eigenen Egozentrik und das Verständnis dafür, dass ich mir meine Probleme im Wesentlichen immer selbst kreiert hatte. Ich durfte erfahren, dass ich aus einer dysfunktionalen Familie, die zutiefst trauma-geschädigt ist, stamme und konnte sehen, dass es mir selbst nie gelang, gesunde Beziehungen dauerhaft zu pflegen und zu erhalten. Es schien, als ob ich eine Art Seelenerbe mit mir rumtrug.

All das durfte ich erkennen, benennen und annehmen durch die heilsame Mystik des 12-Schritte-Programms und begleitet von einem tiefen Glauben, der daraus wuchs, durfte ich akzeptieren, dass die Reise zu mir selbst – zu meinem wahren Selbst – wohl nie enden wird.

Was mir aber am 18. Dezember 2020 von meiner eigenen Mutter berichtet wurde, hätte mir die Beine wegziehen können. Es ist zu umfangreich, hier zu beschreiben, was genau geschah. Ich kann Euch Brüdern aber berichten, dass von jetzt auf gleich meine bis dahin gelebte Identität verpuffte. Alles hatte mit meinem Vater zu tun – dem Mann, den ich bis dahin für meinen Vater hielt.

Ich erfuhr an diesem Tag, dass ich nicht der Sohn dieses Mannes bin, mit dem ich gerade erst den Weg der scheinbaren Versöhnung eingeschlagen hatte, weil ich erkannt hatte, dass mein „Vaterhunger“ (2) fast unerträglich geworden war.

Es folgten wirklich krasse Wochen, in denen ich so manches Mal befürchtete, verrückt zu werden. Wie sollte ich mit dieser neuen Wahrheit umgehen? Mit wem sollte ich darüber reden? Was würde all das für Konsequenzen haben?
Nur „scharfe Kanten“ (3) im Umgang mit meinen bis dahin angeeigneten Ritualen wie Gebet, Selbstüberprüfung, Meditation und das Vertrauen auf einen Gott, den ich bis heute viel zu oft nicht verstehe und ihn zum damaligen Zeitpunkt oft genug anklagte, retten mich nun vor dem Wahnsinn.

Ich war darauf angewiesen, dass dieser Unerschöpfliche mir dem Unersättlichen den Weg weisen würde. (4)

Auch wenn ich heute zu denen gehöre, die das „Ritual als Prozess“ (5) verstehen, welcher einen klaren Anfang und ein klares Ende haben sollte, so glaube ich doch, dass meine Initiation rund um die Initiation auch schon Initiation war – also irgendwie dazu gehörte und meinen ganz persönlichen Weg ins Mann-Sein beschrieb.
Ich war gezwungen den „berechnenden Verstand“ (6) auszuschalten – nein ich hatte das Gefühl, dass zwar wirklich galt, „dass es Gott denen, die Ihn suchen nicht so schwer macht“ (7), aber diese Suche war keine Suche, wie wir sie mit unserem dualistischen Denken (8) beschreiten könnten. Sie bedeutete, wirklich loszulassen und es passieren zu lassen.
Hier ging es nicht mhr darum, dass ich irgendetwas hätte kontrollieren können.

Die Tage in der Natur waren geprägt von einer Mystik, wie ich sie brauchte. Hier wurden mir keine Vorträge gehalten (9) im Sinne von „Wie helfe ich mir selbst“ und „Wir machen jetzt das und dann hat es das zur Folge“. Das, was hier passierte, war keine Therapeutik oder eine Art Coaching. Nein, irgendwie wurde mir in diesen Tagen alles zum Symbol – ja sogar zum Sakrament. Es war Seine ganz persönliche Ansprache an mich.

Während der MROP 2021 verspürte ich große Trauer, gewaltige Wut, krasse Angst und manchmal auch Einsamkeit und ich bin Gott dankbar, dass mich niemand in den Arm genommen hat, ja dass ich nicht einmal die Möglichkeit dazu erkannte, dies eventuell einzufordern. Nur so war ich bereit, diese „Art symbolischen Tod“ (10) zu sterben. Ich war bereit, das Sterben zu lernen, bevor ich einmal sterben werde.

Heute ist mir klar, dass ich schon vorher tausende Tode gestorben war. Nie tat ich das in Gemeinschaft, nie hatte ich erkannt, dass ich auf Gott zu und durch etwas durchsterben konnte und nie zuvor war mir klar, dass das Sterben zum Leben gehört. Erst hier in der Natur für die Tod und Leben eins zu sein scheinen, wurde mir das klar.

Für mich gibt es heute ein „deutliches Vorher-Nachher“ (11). Es gibt ein Danach, nachdem ich das „Fürchte Dich nicht… Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, … Benaja!“ (12) vom Großen Ganzen empfangen habe. Ich trage diesen Namen heute sogar in meinem Pass und ich weiß, dass die Initiation nichts ist, was ich mir hätte verdienen können (13).

Die Identität, die ich heute leben darf, ist eine ins Leben initiierte Identität. Sie ist Gnade und Geschenk. Sie ist aber ebenso Beginn und Auftrag, denn sie hat mich verändert. Ich kann, was ich erfahren habe, nur behalten und genießen, wenn ich es weitergeben und als lebendiges Zeugnis diene. Unglaublich dankbar bin ich den Männern, die den Weg vor mir gegangen sind und die mir zur Verfügung gestellt haben, wovon ich heute berichten darf.

Nun heißt es, den Weg mutig vorangehen und das bedeutet auch, das Feuer heiß zu halten. Dies kann ich nicht allein und brauche die Gemeinschaft und Verbundenheit der Brüder – derer die schon waren, die sind und die noch kommen werden – dafür, denn auch ein Holzscheit verliert seine Energie, nimmst Du es aus dem Feuer. (14)

Meine Vater-Wunde ist verheilt, denn ich habe meinen wirklichen Vater gefunden – Er ist größer, unerschöpflicher, liebender und wilder, als ich mir je hätte vorstellen können – und ich verstehe Ihn immer noch nicht! Hierzu möchte ich mit einer kurzen Erzählung enden, die in Worte fasst, was geschehen ist.

Und ja, Geschichten, sie sind es, die mich mit Euch verbinden….

„Zu einem Schüler, der ständig am Beten war, sagte der Meister: ‚Wann wirst du aufhören, dich auf Gott zu stützen und lernen, auf eigenen Füßen zu stehen?‘
Der Schüler war erstaunt: ‚Aber gerade Ihr habt uns gelehrt, Gott als unseren Vater anzusehen!‘
Der Meister: ‚Wann wirst du lernen, daß ein Vater nicht jemand ist, auf den man sich stützen kann, sondern jemand, der dich von deinem Anlehnungsbedürfnis befreit?‘“

Anthony de MelloWo das Glück zu finden ist, Freiburg i.B. 1994, S. 309.

Ach, und noch was … ich führe seit mehr als einem Jahr eine stabile Beziehung mit einer ganz bezaubernden Frau. Wer hätte das gedacht?

Seid behütet und gesegnet Brüder!

Kolja Benaja

(1) Peter Handke zitiert in Die Krise der Narration von Byung-Chul Han, Berlin 2023, S.7.
(2) Vgl. Die Vaterwunde in Richard RohrVom weisen Mann zum wilden Mann, München 2006, S.90ff.
(3) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 226.
(4) Vgl. Paul Claudel „Das Unersättliche kann sich nur an den Unerschöpflichen wenden.“ aus Andreas KnappLebensspuren im Sand, Freiburg i.B. 2015, S. 21.
(5) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 226.
(6) A.a.O., S 224.
(7) Anonyme Alkoholiker, S.54.
(8)Vgl. Richard RohrStille und Mitgefühl, München 2015, S. 95ff.
(9) Vgl. Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 226.
(10) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 228.
(11) A.a.O., S. 229.
(12) Vgl. Jesaja 43,1.
(13) Richard RohrAdams Wiederkehr, München 2013, S. 230.
(14) Vgl. John Wesley paraphrasiert von Richard Rohr in einem Video, welches sich an initiierte Männer richtet, https://www.youtube.com/watch?v=K_WrbYnI7aw

Franziskanische Wanderung

„Franziskanisch Wandern“ heißt Reduzierung auf das Einfache, Verzicht auf Annehmlichkeiten, ein bewusst herbeigeführtes angewiesen Sein auf Andere und ihre Hilfsbereitschaft und Unterstützung. Wer ohne Zelt oder Tarp wandert und keine Unterkunft organisiert hat und kein Geld für Übernachtung einplant hat, ist auf das Wohlwollen vom Menschen angewiesen, die bereit sind spontan sieben fremde Männer für eine Nacht unentgeltlich unterzubringen.

Tatsächlich hat es funktioniert! Die Angesprochenen haben sich unseres Problems angenommen, haben nach einer Lösung gesucht und uns an Ansprechpartner im Dorf vermittelt. Unsere Freude und Dankbarkeit war groß, als wir in einer Alten Schule, einem Kolpingheim und einem Sportheim unterkamen und dort nicht nur die Toiletten sondern auch die Küche benutzen durften. Durch die Offenheit und das Vertrauen entstand Verbundenheit und Brüderlichkeit, mit den Gastgebern und auch innerhalb der Gruppe. Das Gefühl, getragen zu sein, ist für mich tröstlich und tief berührend. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen, denen ich begegnet bin, mit der Natur und mit mir selbst. Ich wurde reich beschenkt.
Danke!

Heinrich

Wieder fühle ich mich in diesen Tagen ganz besonders mit der Welt und dem Leben verbunden; und das auf allen Ebenen:
ICH – einige Routinen und manchen Luxus muss ich loslassen und stattdessen die Ungewissheit gelassen und heiter annehmen.
DIE GRUPPE – beinahe rund um die Uhr sind wir zusammen. In einigen Momenten ist das auch ein Aushalten, aber sehr viel öfter ein Staunen. Jeder bringt seine eigenen besonderen Fähigkeiten ein, sodass wir total bereichert und für alles gewappnet unterwegs sind.
DAS GROSSE GANZE – tagsüber beherbergt, beschenkt, besonnt und auch beregnet uns die Schöpfung und abends dürfen wir Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Dorfgemeinschaft bei der Quartierssuche erleben. Schon 16-mal habe ich in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen eine franziskanische Wanderung unternommen – so viel Tiefe und Gleichklang wie dieses Mal mit uns initiierten Männern habe ich dabei noch nie gespürt.

Daniel

Gehen zusammen und einzeln, Schritt für Schritt, zunehmend geerdet, im Hier und Jetzt, in Kontakt. Wir Sieben einigen uns erstaunlich schnell: Wohin soll es heute gehen? Wie wollen wir einen Schlafplatz finden? Wie wollen wir dafür sorgen, dass alle gut genährt sind? … Ich bin überrascht, wie gut das geht, obwohl ich vorher nur einen von allen kannte, bin überrascht, wie viel Hilfe wir in den Dörfern erfahren, lerne anzunehmen, was mir geschenkt wird, freue mich über die Impulse der anderen Männer. Wir unterstützen uns.
Ich nehme viel mit nach Hause.

Uli

Gestartet sind wir als sieben einzelne Männer.
Unterwegs hat uns Mutter Erde reichlich mit ihren Gaben erfreut (Pilze, Brombeeren, Äpfel, Birnen, Pflaumen und Mirabellen).
Das Sauerland hat uns mit abwechslungsreichen Wanderwegen und traumhaften Aussichten verwöhnt.
Die Sauerländer haben uns mit offenen Herzen empfangen und als Dorfgemeinschaft selbstlos Übernachtungen für uns organisiert.
Wir Männer haben mit unterschiedlichen Impulsen unsere eigene Spiritualität für die anderen erlebbar gemacht.
Angekommen sind wir als vertraute Gruppe und voller Dankbarkeit.

Wolfram

In einer Ecke war ich, zusammengekauert. Nun, geht es raus, in den Zug, in den Bus, in den Wald, mit dem Rucksack, auf die Beine. Sie tragen mich, meine Füße. Ich werde getragen von der Gruppe. Ich falle, aber ich falle nicht, also schwebe ich, ich schwebe nicht, die Erde trägt mich. Die Gruppe, ein Chaos, das sich sortiert und findet. Geschichten, die sich öffnen, mir öffnen, und mich öffnen. Vertrauen.Gemeinschaft, Landleben, ich habe Urvertrauen in unsere gemeinsame Fähigkeit,dass wir gemeinsam etwas finden. Endlich!

P.

So ganz versteht man den Segen erst am Ende. Zwischendurch war es auch richtig anstrengend soweit mit dem Rucksack zu laufen. Gar nicht anstrengend, nur manchmal etwas spannend war es, mit den Männern unterwegs zu sein, den Weg zu finden und schließlich eine Übernachtung geschenkt zu bekommen.
Am Ziel angekommen, zurück schauend: Was für ein Geschenk: Mit Männern unterwegs zu sein, spirituelle Erfahrung und Sehnsucht teilen, in der Natur zu gehen und zu verweilen. Sehen wie die Jungen (drei Männer der Jungmännerinitiation 2022) und die Alten zusammen gehören – wie wunderbar. Mit jedem ein Stück Weg gegangen, eine Prise Leben geteilt.
Danke Euch allen!

Hartmut

Dabei und dran bleiben

Wieso bin ich noch hier?

Ich bin 2007 initiiert worden und arbeite seitdem mehr oder weniger intensiv bei Männerpfade mit.

Habe ich sonst keine Hobbys oder Lebensinhalte?

Oh doch! Ich tanze, spiele Tennis, lebe in einem Wohnprojekt, bin verheiratet und Vater, bin in einer Männergruppe, habe ein großes soziales Netzwerk …

Und doch! Ich bin mehr denn je intensiv bei Männerpfade aktiv.

Warum, warum hält das so lange?

Die Initiation hat mir mehreres gezeigt und viele Erkenntnisse sind erst im laufe der letzten 16 Jahre richtig zu mir durchgedrungen.

Ich kann wieder glauben. Die Institution Kirche hatte das für mich nahezu unmöglich gemacht. Und ich habe erfahren und erfahre weiterhin, dass es Glauben gibt, der für mich lebbar ist und sich deutlich von Kirche abgrenzt. Und ich bin Kirchenmitglied geblieben, weil es meine spirituelle Quelle ist, auch wenn ich jetzt woanders stehe und anders glaube.

Ich werde älter und ältere Männer sind oft allein. Ältere Männer haben oft kein Bild davon, was es bedeutet Ältere oder gar Älteste zu sein. Bei Männerpfade habe ich Brüder, die mit mir auf dem Weg sind, das zu erforschen und sich darin üben etwas bereit zu stellen, etwas anzubieten und den Archetyp des Magiers und des Großvaters sichtbar zu machen.

Und die tiefste Erfahrung ist erst in den letzten Jahren wirklich bei mir angekommen bzw. für mich wirklich spürbar. Ich bin mit allem verbunden. Ich hadere nicht mehr (so sehr) mit meinem Schicksal. Es passiert tägliches schmerzvolles und was wir Menschen einander antun ist schrecklich. Ich leide mit und wenn mich auch Verlust und Schmerz trifft, so ist das auch ein Zeichen dafür, dass ich mit allem verbunden bin. Wieso sollte bei mir nicht auch was von all dem Leid landen.

Ich bin verbunden mit Männern weltweit, die die Erfahrung der Initiation teilen und weitergeben. Ich bin verbunden mit wunderbaren Männern bei Männerpfade.

Es gibt für mich keinen Grund das aufzugeben und darauf zu verzichten.

Josef

Männerpfade open council

von Uwe Grohmann

Council  
                                                                          
Seit ich Council mit anderen Männerpfade Brüdern im Eschwege Institut kennen und lieben lernte, hat es mich in verschiedenen Formen begleitet und mein Blick auf Council sich immer wieder etwas verändert. Wichtig sind mir:

Der Kreis

Wir sitzen alle in einem Kreis. Alle sitzen gleich weit voneinander entfernt, niemand ist „Vor-Sitzender“ Unsere Gesichter sind einander zugewandt, unsere Rücken schirmen den Kreis nach außen und geben Sicherheit. Wir alle tragen Verantwortung für diese Sicherheit, in dem wir nichts aus dem Kreis nach außen tragen.
Unsere Kommunikation folgt dem Bild des Kreises. Kein Hin- und her, keine Gegenrede, keine Diskussion. Was gesagt wurde, darf stehen bleiben. Es erfordert keine Reaktion, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt seine Wirkung entfalten.

Das Feuer

Wir haben eine Mitte, auf die wir uns fokussieren. Das Entzünden des Feuers zeigt uns, dass wir uns mit etwas verbinden, dass größer ist, als wir selbst. Die Symbolische Wärme des Feuers geben auch wir im Miteinander weiter.

Der Stab

Symbol der Klarheit und der Strukturierung in einer offenen Umgebung. Es spricht wer den Stab hat. Der Rhythmus des Aufnehmens, Sprechens, Ablegens sorgt für Aufmerksamkeit von Sprecher und Hörern für das Gesagte, in der Sprechpause darf es seine tiefere Wirkung entfalten und wird nicht
sofort vom Neuen überdeckt.

Ent-Spannung

Council entsteht bereits im Miteinander sein, es muss nichts passieren, wir müssen nichts leisten. Wir lassen uns Zeit, bis etwas Relevantes zu erzählen ist. Wir sind achtsam für das was im Kreis und das was in uns sich zeigen will.

Männerpfade Open Council

Bei Männerpfade counceln wir eigentlich immer, wenn wir uns sehen. Und als der direkte Kontakt nicht möglich war, ist das Männerpfade Open Council über Zoom entwickelt worden. Inzwischen ist es ein festes Angebot geworden. Und das hat viele Gründe:

Council passt gut zur strukturierten, etwas umständlichen Kommunikation über Computer. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich auch Online viel Nähe und Vertrauen im Kreis aufbauen kann. Die regelmäßigen, 14tägigen Treffen ermöglichen es uns allen, die wir ja weit verstreut leben, den Kontakt zu den Brüdern und zur eigenen Erfahrung der Initiation zu halten.
Für neue Interessierte Männer, die keine persönlichen Kontakte haben, sondern im Netz auf uns aufmerksam geworden sind, bietet es die niedrigschwellige Möglichkeit Männerpfade kennen zu lernen. Die Erfahrung zeigt, dass alleine der Umgang und die Offenheit der Männer untereinander bemerkenswert erlebt wird. Einige Anmeldungen zur MROP sind bereits gefolgt.

Von daher: Wenn Du an einem Dienstag oder Donnerstag (Termine auf der homepage) den Wunsch nach brüderlichem Austausch hast, klicke ab 19:50 auf den Link und einer von uns heißt Dich im Kreis willkommen. Um 20:00 geht’s los. Wir freuen uns auf dich (Manfred, Walter, Stefan und Uwe)

Männer Treffen im August 2022 in Rotenkirchen

Zwölf initiierte Männer trafen sich, um sich über folgende Themen auszutauschen: 1) Die Riten bei unserer eigenen Initiation und 2) sich durch Übungen und Gespräche dem Archetyp des Kriegers anzunähern. Es tat uns gut festzustellen, dass die Erinnerung an die Riten, ebenso wie deren Bedeutung während unser eigenen Initiation, bei jedem einzelnen von uns verblasst waren. Beim gemeinsamen Gespräch lieferte jeder ein Puzzle Teil und wir konnten es zu einem guten Bild zusammenfügen. Eingeleitet wurde die Erinnerung durch ein Spiegelritual. Mir wurde klar, dass wir uns selbst so sehen, wie andere uns sehen. Und, dass diese Sichtweise noch unterbewusst bei uns wirksam ist. Daran gilt es immer wieder zu arbeiten, um unser unverstelltes Selbst wahrzunehmen zu können.

Dem Krieger näherten wir uns durch Kampfesspiele an. Wir gelobten fair miteinander, nicht gegeneinander zu kämpfen. Dabei regten uns die Kampfschreie einiger Männer eher zum Lachen, als zum Kämpfen an. Und so kam auch der Humor nicht zu kurz. Abgerundet wurde die Annäherung durch drei verschiedene Yoga-Krieger-Stellungen. Und mir wurde klar, dass Krieger sein nicht nur bedeutet, für eine gute Sache zu kämpfen, sondern auch gegen das eigene überstarke Ego zu kämpfen. Wie es zum Beispiel in der letzten Strophe eines chinesischen Weisheitsgedichtes erwähnt wird.

Magst du in der Schlacht besiegen 1.000 mal 10.000 Krieger.
Wer das eigene ich bezwungen, ist der größte Held und Sieger.

Buchempfehlung zum Thema: Befreiung vom Ego. Wege zum wahren Selbst. Richard Rohr, 4. Aufl., 2018

Dieses intensive Zusammensein stärkte unser Individuum sehr. Manchmal genügte schon ein kurzer Austausch mit einem anderen Mann, um uns spirituell weiterzubringen.

Ich hatte den Verbunden-Sein-Stab vom Männertreffen 2019 mitgebracht und übergab ihn mit Worten der Hoffnung wieder der Erde – der Hoffnung, dass die Coronazeit so überwunden ist, dass wir wieder Treffen in Präsenz durchführen können.

Spontane Situationen gab es auch. Auf unserem Parkplatz hatte sich eine kleine Trommelgruppe gebildet und trommelte. Ein Mann führte dazu einfach einen Indianertanz auf.

Das Treffen wirkte auch in meinem anschließenden Familienurlaub auf einem Bauernhof weiter. Die letzten zwei Tage muhten einige Kühe Tag und Nacht. Die Bäuerin erklärte mir, dass diese Kühe nach einem Jahr jetzt von ihren Kälbern getrennt wurden. Und insgesamt drei Tage nach ihnen rufen. Das wird gemacht, damit die Kühe für die Milchabgabe wieder neue Kälber bekommen. Meine Tochter hatte mir davon schon einmal erzählt. Aber das zu erleben, war etwas ganz anderes. Ich wurde vom Mitgefühl für die Kühe erfüllt. Und mein Verständnis und meine Toleranz für einige vegane Teilnehmer wuchs. In Indien sind die Kühe heilig. Das fiel mir noch ein.

Dadurch, dass wir auf diesen Treffen über alles reden können, trägt das auch zu unserer seelischen Gesundheit bei. Und ich finde, dass Männerpfade dazu einen wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leistet.

Dieter Büchner im September 2022

Brief an einen jungen Mann

Hallo mein Lieber,
Du wirst Dich fragen, wer ich bin. Ich bin Du. Kein Scheiß. Ich schreibe nämlich heute einen Brief an mein jüngeres Ich. Und das bist Du.
Du wirst Dich fragen, warum ich Dir schreibe. Ich schreibe Dir, weil ich Dich ermuntern möchte. Weil ich Dich aus meinem tiefsten Herzen ermuntern möchte. Ermuntern zum Leben. Ermuntern dazu, Deinen Weg zu gehen.
Und weil ich Dich einladen möchte, schon jetzt Erfahrungen zu sammeln, die ich im Rückblick so unglaublich gerne schon in Deinem Alter gemacht hätte, um mich und die Welt besser kennenzulernen. Denn das hätte mir viele Umwege und viel Zeit erspart. Das ist jetzt kein dummer Ratschlag Deiner Eltern oder Deiner Lehrer und Ausbilder, denn ich weiß, wie sehr Dich sowas ankotzt. Und glaub mir, dumme Ratschläge kotzen mich heute auch noch an.
Ich weiß, dass Du Dir von Älteren nichts (mehr) sagen lassen willst, seit Du in die Pubertät gekommen bist, von der Du gerade mal so entwachsen bist, auch wenn Du schon einige Jahre über die Volljährigkeit hinausgewachsen bist. Ich weiß, dass Du Dich von Deinen Eltern nicht ernst genommen fühlst. Ich weiß, dass Du Dich häufig auch von anderen Menschen, sogar von Deinen Freunden unverstanden fühlst. Ich weiß, dass Dich Deine Schulkameraden gemobbt haben und wie sehr es Dich schmerzt, ausgelacht zu werden. Ich weiß, dass Du seitdem ohne die anderen klarkommen willst. Ich weiß, dass Du Dich unsicher fühlst, an fremden Orten, in peinlichen Situationen, im Umgang mit
Frauen, im Umgang mit Dir selbst. Ich weiß von Deinen ganzen Unsicherheiten und Deiner
Überforderung und dass Du niemandem dies zeigen willst. Und ich weiß auch, dass Du häufig nicht weißt, wohin Du gehen sollst.
Ich kann Dir sagen, dass ich das heute auch nicht immer weiß. Aber ich weiß, dass ich gehen muss. Oder besser gesagt, dass ich gehen will. Weil gehen unglaublich geil ist und Dich an Orte führen wird, die Du nicht nur noch nicht kennst, sondern von deren Existenz Du sogar noch nie etwas gelesen oder gehört hast. Und ich sage Dir, darunter werden Orte von entsetzlichen Schrecken sein. Und darunter werden Orte von atemberaubender Schönheit sein. Beides in einem Maße, das Dein jetziges Vorstellungsvermögen komplett übersteigt.
Ich kann Dir nicht verraten, was kommen wird, denn das wirst Du selbst entdecken, falls Du Dich auf den Weg machst. Aber ich will Dir zwei Dinge mit auf den Weg mitgeben. Als Dein älteres Selbst darf ich das. Es sind ein Gedicht und eine Einladung.
Ich weiß, dass Du manche Gedichte für peinlich hältst. Aber bitte lies es trotzdem wenigstens ein einziges Mal.

Es gibt einen Weg
Es gibt einen Weg, den keiner geht,
wenn Du ihn nicht gehst.
Wege entstehen, indem wir sie gehen.
Die vielen zugewachsenen,
wartenden Wege,
von ungelebtem Leben überwuchert.
Es gibt einen Weg, den keiner geht,
wenn Du ihn nicht gehst;
es gibt Deinen Weg,
einen Weg, der entsteht,
wenn Du ihn gehst.
(Werner Sprenger)


Und jetzt kommt die Einladung zu einem Event, von dem ich mir wünsche, ich hätte schon in Deinem jetzigen Alter teilgenommen. Damals hätte ich nur davon wissen müssen. Wobei, tatsächlich hätte ich die Einladung damals wahrscheinlich ausgeschlagen, wenn ich davon gewusst hätte. Weil ich im Sommer wichtigeres zu tun gehabt hätte. Weil ich reisen wollte, weil ich Party machen wollte, weil ich zocken wollte, weil ich saufen und vögeln wollte. Aber hier kommt meine Einladung: nimm Dir fünf Tage in den Sommerferien ganz für Dich frei und komme zur Initiation für junge Männer vom 10. bis zum 14. August 2022, glaub mir, es lohnt sich.


In Liebe
Dein Ich (aus der Zukunft).

kindness and self-compassion

Online – Treffen Eurosoul vom 2.2.22

Lieber Bruder, ich möchte Dir in diesem Beitrag von Eurosoul am 2.2.22 berichten, und wie es mir damit ging. Warum am 2.2.22? Wegen des Datums mit den vielen Zweien, oder doch was tieferes?

Der 2.2.22 war Mariä Lichtmess. Der Tag dauert an Lichtmess schon wieder eine Stunde länger als an Weihnachten, und jeden Tag geht es spürbar aufwärts. Früher war Lichtmess das praktische Neujahr, um das die Knechte und Mägde etwas Urlaub hatten und ggf. auch den Arbeitgeber gewechselt haben. Erst dieses Jahr ist mir aufgefallen, dass die Chinesen das im Prinzip immer noch so machen, und einige chinesische Bekannte und Freunde haben sich sehr gefreut, dass ich ihnen zum Jahr des Tigers viel Glück gewünscht habe.

Das Thema bei Eurosoul war „kindness“ und „self compassion“. Wie kann ich das übersetzen? Freundlichkeit und Selbstmitleid, oder doch besser Selbstmitgefühl? An dem Tag war ich noch nicht ganz an Lichtmess angekommen. Dennoch gab es Momente, in denen ich berührt worden bin, und Inhalte, an denen ich mich reibe.

Der Ablauf der Online Eurosoul Treffen hat mittlerweile ein Format gefunden, das sich praktisch immer wiederholt: Kurze Einführung, Anzünden der Kerzen, Einchecken mit Gefühl, ein Gedicht, Stille, eine Geschichte, „Predigt“ über die Geschichte, Fishbowl Council zum Thema, Small Councils (ca. vier Mann) zum Thema, Zusammenfassung im großen Council: „I’ve heard a man say… (ich habe einen Mann sagen gehört…)“, Verabschiedung und Ausblasen der Kerzen. Dieses Vertrautsein mit dem Ablauf hat mir bestimmt geholfen, besser hineinzufinden, gerade weil ich an dem Tag anfänglich nicht sehr präsent war.

Die Geschichte waren diesmal die Puppenbriefe von Kafka: https://www.mimikama.at/aktuelles/puppenbriefe-franz-kafka

Ich habe Kafka aus Schulzeiten ganz anders in Erinnerung; tatsächlich für mich kaum zu glauben, dass das von Kafka ist. Allein schon, dass er die Trauer des Mädchen gesehen und darauf reagiert hat. Vielleicht gerade deswegen hat mich die Geschichte sehr berührt und es ist für mich ein sehr gutes Beispiel für „Wohlwollen“, als was ich „kindness“ am ehesten übersetzen würde. Dieses Wohlwollen hat dem Franz bestimmt viel Zeit und Mühe und vielleicht sogar Überwindung gekostet. Liebe ohne Bereitschaft für mühevolles Wohlwollen ist wahrscheinlich keine Liebe. Franz, dem ich das nie zugetraut hätte, hat damit seine Liebe gezeigt, was mich zu Tränen rührt, auch wenn vielleicht seine Freundin etwas nachgeholfen hat.

In unserem kleinen Kreis bin ich Kenneth wieder länger begegnet, zum ersten Mal nach 2019, wo ich mit ihm auf einem längeren Spaziergang war. Das hat mich sehr gefreut. Diesmal hat er auch ein viel deutlicheres Englisch gesprochen!-). Trotzdem musste ich sehr genau hinhören… Die anderen beiden waren aus dem Nordosten von Tschechien. Einer von beiden hat Geschichten seiner Tiere beigetragen; das wird mir sicher auch in Erinnerung bleiben. Unser Thema war so zwischenmenschliches und zwischentierisches Wohlwollen. Auf Basis der Geschichte des tschechischen Bruders, dass seine Pferde ein krankes Pferd aus dem Stall geschoben haben, sind wir darauf gekommen, dass es auch ein „hartes“ Wohlwollen geben kann, das liebevoller sein kann als ein weiches. Z.B. wenn ich einem Obdachlosen kein Geld gebe, weil er es nur in Alkohol umsetzen würde. Ich ringe damit sehr. Papst Franziskus hat mal gesagt, dass es auch ok ist, wenn der Obdachlose Alkohol kauft, wenn er nur so mit seiner Situation zurecht kommt. So oder so wäre es aus meiner Sicht nach meinem augenblicklichem Stand nicht ok, wenn ich dem Obdachlosen (d,m,w…) keine Zeit und Beachtung schenke mit der Ausrede, Geld würde er eh nur in Alkohol umsetzen.

Zum Schluss bin ich länger im Meeting geblieben. Manche haben sich schwer getan mit der Verabschiedung – Gott sei Dank. Ich hatte so die Gelegenheit noch ein paar Worte mit Erich und Pete zu wechseln; Erich, mein „südostbayrischer“ Bruder aus Wien und Pete, der für mich durchaus ein Vorbild an Wohlwollen ist, auch wenn er spirituell nach außen so ganz anders unterwegs ist als ich. Erst zum Schluss war ich wohl ganz präsent.

Andreas Poschinger

Durch die Wunden hindurch

von Felix Stumpf

In Dante Alighieris Göttlicher Komödie von 1321 wird eine Reise durch die drei Reiche der jenseitigen Welt beschrieben. Die letzte führt vom irdischen Paradies, dem Garten Eden in das himmlische Paradies. Dante (und Beatrice) betreten die himmlischen Sphären der sieben klassischen Planeten Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Von dort steigen sie auf in den Fixsternhimmel, den Kristallhimmel und betreten schließlich das Empyreum. Dort strahlt in göttlichem Licht die Himmlische Rose der Liebe.

Empyreum vom Künstler Gustave Doré

Diese wunderbare Heldenreise von Dante inspirierte mich zu einem Kunstwerk, welches 2020 den 1. Preis in einem Kunstwettbewerb der Ausstellungsfolge „Plastik und Blumen“ im Treptower Park Berlin gewann. In meiner hierzu entworfenen temporären Skulptur schuf ich eine Verbindung zwischen Dantes Weg ins Paradies und dem Corona-Pandemie-Lockdown Anfang letzten Jahres. Die Aussage der Skulptur ist: Unser Leid und unsere Begrenzung hat die Kraft sich in etwas gutes zu Wandeln, wir dürfen bloß den Blick auf das Licht (das Vertrauen) nicht verlieren und müssen die Kontrolle abgeben, und uns auf den Weg „hindurch“ einlassen. Der Name der Kunstwerkes ist daher: Himmlische Rose (Hoffnung, Wandel und Paradies).

Himmlische Rose (Hoffnung, Wandel und Paradies) von Felix Stumpf, Foto: Ivar Veermäe

Wie ihr merkt, sind meine Erfahrungen der Initiation mittlerweile in meiner Kunst angekommen. Und es scheint als sind die Menschen offen und bereit für die Botschaft des Wandels. Kurze Zeit später gewann ich erneut einen Wettbewerb mit einer Grafik, die eine ähnliche Aussage hat. Das macht mir Mut.

Portal (Cyan, Gelb) von Felix Stumpf

Seit meiner Erfahrungen der Initiation 2016 in Österreich kenne ich die Notwendigkeit, den transformativen Weg des Leides selbst zu gehen und zu vertrauen. Die Initiation kam genau in der Zeit meines Lebens, in der alles in meiner Welt bergab zu gehen schien. Ich war Ende dreißig und hatte großes persönliches Leid. Hinzu kam, dass ich mich finanziell in einer sehr prekären Situation befand. Ich hatte hohe Schulden und keinerlei Gewissheit auf Besserung meiner beruflichen Situation. Das Gefühl des Scheiterns, dass sich anfühlte als ob alles im Sande verrinnt, beherrschte mein Leben.

Es ist wohl bekannt: Ein Leben als freier Künstler ist meist ein Leben großer finanzieller Unsicherheiten. Es ist aber, wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtet ein Leben, das sich nicht so leicht von scheinbaren „Sicherheiten“ gefangen nehmen lässt. (Vielleicht spricht man deshalb auch vom „freien Künstler“?)
Aus der Perspektive des konventionellen bürgerlichen Glücks scheint der Preis für Freiheit hierbei hoch. Kein Geld = Keine Urlaub = Kein Vergnügen = Keine Familie = Glück: Ade!

Wahrscheinlich sehnte und neidete ich dieses Glück sehr. Und reagierte mit einer trotzigen Übertreibung eines unkonventionellen Leben (oder vielmehr was meine Vorstellung davon war). Ich stand auf wann ich wollte, ging zu Bett wann ich wollte, arbeitete was und wann ich wollte und hatte mit vielen Frauen gleichzeitig Beziehungen unterschiedlichster Art. Mein „freies Leben“ war letztendlich nur ein haltloses (haltungsloses) Leben. “.

Ich dachte ich wäre frei, da ich wähle. Doch in Wahrheit wurde ich von meinen Dämonen gefangen gehalten. Und ich wählte nur aus den Bildern aus, die sie mir vor meine Nase hielten.

Mittlerweile verstehe ich Freiheit, als die Möglichkeit das, was mein Herz oder der heilige Geist zu mir sagt, zu tun. Also in mich rein zu horchen. Zu gehorchen. Der Endgegner heißt dann zwar oft: Furcht vor möglichen Konsequenzen. Doch ihn bezwinge ich mittlerweile immer schneller.

Dieser Kompass für Freiheit stellte sich nach meiner Initiation ein. Das Erste was nach meiner Initiation passierte war folgendes. Ich bekam meine Stimme zu hören, die mich zu einer ungeahnten Klarheit brachte. Ich zog nun klare Grenzen. Beruflich wie persönlich. Die Gewissheiten im Rücken: Ich werde geliebt, darf mir vergeben, darf loslassen und werde gehalten. Ich verließ meine alten Abgründe und fand schnell neue Kraft.

Ist Leid nun ein Vorbote eines freien Lebens? Oder in anderen Worten: Ist Schmerz der Beginn von Leben?

Wie bei einer Geburt von einem Baby. Die Frau muß dabei durch den Schmerz. Kein Weg führt daran vorbei. Ohne Schmerz und ohne Wunde kein neues Leben. Und als initierter Mann habe ich ein archaisches Verständniss hierfür entwickelt. Und ich bin fasziniert, wie dies zusammenkommt.

Leider isolieren wir in unserer Welt allzu oft uns und andere, wenn es zu Leid und Schmerz kommt. Dies habe ich in den Trauererfahrungen um meinen Vater ebenso erfahren müssen, wie an der schweren Erkrankung einer Freundin. Unsere Gesellschaft hat einen verstümmelten Umgang mit Leid, Krankheit und Tod. Es wird behandelt wie ein Plage. Für Beistand scheint es in unserer konsumorientierten Welt wenig Platz zu geben. Und wahre Gemeinschaft ist selten. Vielleicht weil wir uns nicht mit den Wunden der Anderen identifizieren wollen? Die Pandemie hat uns hier hoffentlich im kollektiven Erleben von Leid und Verzicht wieder etwas mitfühlender und mitmenschlicher gemacht. Ja davon bin ich überzeugt.

Und was für ein Segen, dass wir initiierten Männer unsere Wunden, unser Scheitern und unsere Unvollkommenheiten als Basis gemeinschaftlicher Begegnung und Stärkung erleben dürfen. Das ist der Weg in die Himmlische Rose! Ins Göttliche Licht! Und wie einmal so schön gesagt wurde: In das Paradies, das wir in der Existenz von Blumen, von Sternen und in den Augen der Kinder erahnen können.

Friede, Liebe und Licht an Euch
Felix Stumpf