Wenn Männer fragen

von Andreas Hofmann

Ratsversammlung 2021. Ich stehe zur Wahl als Hüter. Aber es ist Thomas, der gewählt
wird. Ich bin äußerlich gelassen, innerlich ist „etwas“ los, das mir aber in der Situation
kaum bewusst, kaum bennbar ist.

Einige Männer fragten mich im Nachgang, wie es mir mit der Entscheidung ginge; sie
fragten das im ehrlichen Ansinnen zu erfahren, wie es um mich stünde. Und ich begann
von mir zu erzählen, im Bestreben das ebenso ehrlich zu beantworten, wie die
Fragenden mich gefragt hatten. Ganz im Sinne der Kleist´schen „allmählichen
Verfertigung der Gedanken [ich möchte ergänzen „und Gefühle“] beim Reden“ wurde
mir bewusst, dass mich das Nicht-Gewählt-Werden mehr betrifft als ich es mir
eingestehen konnte. Im Antworten auf die Frage erzählte ich mich hin zu den
Gegebenheiten, die da in mir schlummerten. Mir zeigte sich die Kränkung, die für mich
darin lag; ein anderes Mitglied meines inneren Untergrund-Konzerts deutete das ganze
als Zurückgewiesen-Werden; die Angst nicht dazugehören zu „dürfen“ kam zum
Vorschein. All diese inneren Erkundungen wurden auch angestoßen durch die Fragen
und das zugewandte Gehört-Werden. Die Kränkung und die Angst des
Zurückgewiesenen bahnte sich den Weg ins Benenn- und damit ins mir Eingestehbare.
Wieder einmal landete ich bei wohlbekannten Ängsten, aber so bekannt sie mir auch
sind, so untergründig schlummer(te)n sie in mir; die mit Interesse und der Bereitschaft
Zuzuhören gestellte Frage „Wie geht es Dir?“ hat mir die Möglichkeit gegeben, die
Vorhänge des inneren Theaters zur Seite zu ziehen.
Ich möchte uns alle ermutigen, uns in freundlicher Neu“gier“ zu begegnen, indem wir
uns einander fragende Impulse zukommen lassen und dann Zuhören wie Michael Ende
es bei seiner Momo beschreibt. Sie konnte nämlich so „zuhören, dass dummen Leuten
plötzlich sehr gescheite Gedanken kamen. […], dass ratlose und unentschlossene Leute
auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich
frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh
wurden.“
Die eigenen Gedanken und Interessen soweit hinten an zu stellen, dass das geht – das ist
auch ein Teil der Wahrheit, dass „es sich nicht um mich dreht“!
Andreas Hofmann
Januar 2021

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