Zwölf initiierte Männer trafen sich, um sich über folgende Themen auszutauschen: 1) Die Riten bei unserer eigenen Initiation und 2) sich durch Übungen und Gespräche dem Archetyp des Kriegers anzunähern. Es tat uns gut festzustellen, dass die Erinnerung an die Riten, ebenso wie deren Bedeutung während unser eigenen Initiation, bei jedem einzelnen von uns verblasst waren. Beim gemeinsamen Gespräch lieferte jeder ein Puzzle Teil und wir konnten es zu einem guten Bild zusammenfügen. Eingeleitet wurde die Erinnerung durch ein Spiegelritual. Mir wurde klar, dass wir uns selbst so sehen, wie andere uns sehen. Und, dass diese Sichtweise noch unterbewusst bei uns wirksam ist. Daran gilt es immer wieder zu arbeiten, um unser unverstelltes Selbst wahrzunehmen zu können.
Dem Krieger näherten wir uns durch Kampfesspiele an. Wir gelobten fair miteinander, nicht gegeneinander zu kämpfen. Dabei regten uns die Kampfschreie einiger Männer eher zum Lachen, als zum Kämpfen an. Und so kam auch der Humor nicht zu kurz. Abgerundet wurde die Annäherung durch drei verschiedene Yoga-Krieger-Stellungen. Und mir wurde klar, dass Krieger sein nicht nur bedeutet, für eine gute Sache zu kämpfen, sondern auch gegen das eigene überstarke Ego zu kämpfen. Wie es zum Beispiel in der letzten Strophe eines chinesischen Weisheitsgedichtes erwähnt wird.
Magst du in der Schlacht besiegen 1.000 mal 10.000 Krieger.
Wer das eigene ich bezwungen, ist der größte Held und Sieger.
Buchempfehlung zum Thema: Befreiung vom Ego. Wege zum wahren Selbst. Richard Rohr, 4. Aufl., 2018
Dieses intensive Zusammensein stärkte unser Individuum sehr. Manchmal genügte schon ein kurzer Austausch mit einem anderen Mann, um uns spirituell weiterzubringen.
Ich hatte den Verbunden-Sein-Stab vom Männertreffen 2019 mitgebracht und übergab ihn mit Worten der Hoffnung wieder der Erde – der Hoffnung, dass die Coronazeit so überwunden ist, dass wir wieder Treffen in Präsenz durchführen können.
Spontane Situationen gab es auch. Auf unserem Parkplatz hatte sich eine kleine Trommelgruppe gebildet und trommelte. Ein Mann führte dazu einfach einen Indianertanz auf.
Das Treffen wirkte auch in meinem anschließenden Familienurlaub auf einem Bauernhof weiter. Die letzten zwei Tage muhten einige Kühe Tag und Nacht. Die Bäuerin erklärte mir, dass diese Kühe nach einem Jahr jetzt von ihren Kälbern getrennt wurden. Und insgesamt drei Tage nach ihnen rufen. Das wird gemacht, damit die Kühe für die Milchabgabe wieder neue Kälber bekommen. Meine Tochter hatte mir davon schon einmal erzählt. Aber das zu erleben, war etwas ganz anderes. Ich wurde vom Mitgefühl für die Kühe erfüllt. Und mein Verständnis und meine Toleranz für einige vegane Teilnehmer wuchs. In Indien sind die Kühe heilig. Das fiel mir noch ein.
Dadurch, dass wir auf diesen Treffen über alles reden können, trägt das auch zu unserer seelischen Gesundheit bei. Und ich finde, dass Männerpfade dazu einen wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leistet.
Dieter Büchner im September 2022